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Ili. Länder- und Völkerkunde. A. Europa. 
lichen Schmerz der schönsten Gestalten die tiefste Rührung ein. Einzig 
in seiner Art ist der Saal, in dem die Bildnisse aller berühmten Maler 
ansgestellt sind, wie sie sich selbst gemalt haben. Mitten im Saale 
steht die berühmte Vase aus der Villa di Medici, mit dem Opfer der 
Iphigenie, und ringsum hangen die Bilder des jungen Raphael, Mi¬ 
chael Angelo's, Leonardo's, Tizian's, Paul Veronese's, Dominichino's, 
Guido's, Parmegianino's, Dürer's, Holbcin's, Rubens', van Dhk's, Rem- 
brandt's, bis zu Mostaccio hinauf im höchsten Glorienscheine verklärter 
Künstler-Apotheose. — Das Cabinet der Gemmen und kostbaren Steine 
ist überreich. — Mit heiligem Schauer betritt man aber das höchste 
Kleinod der Kunstwelt, die Tribüne, in welcher das Kostbarste vereinigt 
ist, was Sculptur und Malerei hervorgebracht, und die in ihrer Zu¬ 
sammenstellung einzig in der Welt ist. Die Mediceische Venus machte 
beim ersten Anblick nicht den erwarteten Eindruck ans mich; je anhal¬ 
tender ich aber dieses Wunderbild betrachtete, desto mehr entzückte es 
mich. Es ist der Inbegriff edelster weiblicher Liebcskraft, und ans 
dem Ganzen spricht jungfräulicher Ernst und Stolz — nichts Lockendes. 
Alles, was Grazie und Anmuth in einem Mädchen vereinen können, 
sehen wir hier ausgedrückt, und allein würdig, mit der Göttin zu wett¬ 
eifern, steht ihr gegenüber der junge Apoll, das reizendste Bild des 
vollendetsten Jünglings. Und die berühmten Kämpfer, dieser Triumph 
der Bildhauerei, die man für die schönste Arbeit des Alterthums hält, 
ans Einein Stück Marmor erzeugt, in der auserlesensten kühnsten Stellung 
des Ringens, mit den von Kraft und höchster Stärke gespannten Sehnen 
und Muskeln. Was müssen nun solchen Meisterstücken der Sculptur 
für Malerwerke zur Seite stehen, um sich gebührend zu behaupten, und 
wer anders als Raphael konnte aus diesem Kampfe siegreich hervorgehen! 
Raphael, diese Quelle der Schönheit und Empfindung, der sich schon 
als Jüngling die Gunst und Bewunderung der Menschheit erworben, 
und dessen frühe Entwicklung wir dem geistreichen Papste Julius ver¬ 
danken, der sichern Blickes das wahre Talent erkannte und durch den 
siebzehnjährigen Raphael in den Stanzen beweisen ließ, daß sein Fal- 
keuauge den höchsten Genius herausgefunden hatte. Und hier sahen 
wir nur den kühnen Julius, das Meisterstück seines Pfleglings, als 
ein Ideal vom heiligen Vater, mit der höchsten Naturwahrhcit, Erha¬ 
benheit und Geistesruhe im Nachsinnen. Die Stellung im Stuhle mit 
beiden Händen aufgestützt, der glänzend herabfließende, so herrlich auf¬ 
gesetzte Bart, daö feste Feuer der ganzen Arbeit und die Beleuchtung 
von Stirn und Bart, Alles vollendet schön. Dann die heilige Familie, 
das Jesuskind vor dem rechten Kniee der Maria mit einem Vogel in 
der Hand, während der kleinere Johannes nach dem Vogel hascht und 
dabei auf der Mutter Fuß tritt, in deren halbgeöffnetem Schoße er 
steht. Dieses Bild ist bekannter Weise unzählige Male copirt, litho- 
graphirt, gestochen und gehört der besten Zeit des Meisters an. Die 
bewunderungswürdige Farbenfrische in den vier Bildern des Correggio, 
dann die schönsten Bilder des Giulio Nomano, Rubens, Fra Bario-
	        
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