Full text: Poetische Blumenlese oder Grundlagen für den Unterricht in der Poetik und Litteraturgeschichte

III. Volkstümliche Lieder. 
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378. Aung Stürmchen. 
Georg Christian Vieffenbach. 
1. Herr Sturm hat gar ein lustig 
Kind, 
Das kann schon wacker laufen; 
Das junge Stürmchen thät man Wind 
Vor langer Zeit schon taufen. 
2. Jung Stürmchen ist ein starker 
Knab, 
Pausbackig sonder gleichen, 
Springt lustig immer auf und ab, 
Mag gern auf Berge steigen. 
3. Da geht ihm denn der Atem 
aus, 
Drum muß er schnaufen, blasen, — 
Ihr hört's ja selbst aus eurem Haus, 
Wie's schnauft in allen Straßen. 
4. Der Wind ist gar ein wilder 
Fant, 
Kann nichts in Frieden lassen, 
Und kommt er auf- und abgerannt, 
So muß er immer spaßen. 
5. Dem springt er auf den Buckel 
dort, 
Reißt ihm den Hut herunter, 
Und dreht ihn flink und rollt ihn fort, 
Und pfeift dazu ganz munter. 
6. Und wenn der Mann mit großer 
Hast 
Dem Hute nach will laufen, 
Gar schnell er ihn am Rocke faßt, 
Als wollt' er ihn zerraufen. 
7. Dem fährt er lustig in den 
Schopf, 
Frisiert mit bloßen Händen; 
Bald rupft er hier, bald da den Tropf, 
Da hilft kein Drehn und Wenden! 
8. Dann packt er gar, der schlimme 
Wicht, 
Voll Sand die beiden Hände, 
Wirft ihn den Leuten ins Gesicht 
Und läuft davon behende. 
9. Bald springt er hin, der wilde 
Knab 
Und reißt mit lust'gem Blasen 
Die Wäsche flugs vom Seil herab 
Und wirft sie auf den Rasen. 
10. Jung Stürmchen treibt es gar 
nicht fein, 
Möcht' immer lustig spaßen, 
Darum, wer nicht geneckt will sein, 
Der bleibe von den Gassen. 
Eine sehr schön durchgeführte Personifikation des Windes, der unter dem Namen 
„Jung Stürmchen“ als lustiges Kind des „Herrn Sturm“ dargestellt wird. 
379. Des Sängers Wanderlied. 
Georxg Christian Dieffenbach. 
L. Wer schauen und erfahren will, 
Wie schön und weit die Welt, 
Der muß den Stab ergreifen, 
Durch Städt' und Länder streifen, 
Durch Wald und grünes Feld. 
O sel'ge Lust, zu wandern 
Im goldnen Himmelsschein! 
Das Wandern, das Wandern, 
Das soll gepriesen sein. 
2. Wer alles Leid vergessen will 
Und allen Sorgenstaub, 
Der muß dem Haus entfliehen 
Und frisch die Welt durchziehen 
Beim ersten Frühlingaslaub. 
O sel'ge Lust, zu wandern 
Im goldnen Himmelsschein! 
Das Wandern, das Wandern, 
Das soll gepriesen sein. 
3. Und wer so recht erfahren will 
Der Heimat fsüßes Glück, 
Der geh' in fremde Lande, — 
Bald ziehen tausend Bande 
Zur Heimat ihn zurück! 
O sel'ge Lust, zu wandern 
Im goldnen Himmelsschein! 
Das Wandern, das Wandern, 
Das soll gepriesen sein. 
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