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verwandte der Hunnen, ein wildes, heidnisches Volk, auf ihren
schnellen Rossen heran und richteten ihre Raubzüge besonders gegen
das östliche und südliche Deutschland. Diese neue Not veranlaßte die
Großen des Reiches zur Ausdehnung ihrer Macht auf Kosten der
königlichen, die sie gegen den Feind nicht zu schützen vermochte. Zum
angesehensten Fürsten des Reiches schwang sich Otto der Erlauchte
von Sachsen-Thüringen aus. Er war der Sohn Brunos aus dem
Geschlechte der Ludolfinger. Auf ihn richteten sich beim Ermatten
der Karolinger die Hoffnungen seiner Landsleute. Was Pippin und
Karl der Große hatten verhindern wollen, das war schon längst ein-
getreten. Das Reich zerfiel bald in fünf Herzogtümer: Lot-
ringen, Franken, Schwaben (Atemannien), Bayern und
Sachsen mit Thüringen. Die Herzöge wollten durchaus
selbständig sein und die Herrschaft des Königs nicht an-
erkennen. So kam große Verwirrung in das Reich, und mit Recht
konnte ein Schriftsteller damals ausrufen: „Weh' dem Volke, des König
ein Kind ist!" Ludwig starb 911.
6. Konrad der Franke. Jetzt bedurfte das deutsche Volk ganz
besonders eines weisen uud tapferen Königs. Die Franken und Sachsen
wählten den Herzog Konrad von Franken, der auf seinem Schlosse zu
Weilburgan der Lahn wohnte. Dieser wackere König regierte gegen
sieben Jahre, aber es gelang ihm beim besten Willen nicht, das Reich
nach außen gegen die Ungarn zu schützen und es im Innern zu einigen. m
Weil die Herzöge die unter den letzten Karolingern angemaßten Rechte
nicht preisgeben wollten, war seine ganze Regieruugszeit ausgefüllt mit
Kämpfen gegen trotzige Vasallen, besonders gegen den Herzog
Heinrich von Sachsen, den Sohn Ottos des Erlauchten aus dem
Geschlechte der Ludolfinger. — (Der Name „Thüringen" tritt nun
hinter „Sachsen" zurück.) Die Lotringer sagten sich sogar von Deutsch-
land los und schlössen sich an Frankreich an.
VIII. |>ie sächsischen Könige und Kaiser. 919—1024.
A. Heinrich I. 919-936.
1. Heinrich wird König. Als Konrad auf dem Sterbebette lag,
empfahl er großmütig seinen mächtigen Gegner Heinrich von
Sachsen zu seinem Nachfolger. Er ließ seinen Bruder Eberhard
kommen und sprach zu ihm: «Wir Franken sind zu schwach, um in
so schwerer Zeit das Zepter zu führen. Die Zukunft des Reiches
steht bei den Sachsen. Darum, mein Bruder, verzichte auf die
Königswürde und überbringe Heinrich von .Sachsen die königlichen
Abzeichen." Gerührt von diesem Edelmute gehorchte Eberhard dem
Willen seines Bruders. Bald darauf wurde Heinrich zu Fritzlar in
Hessen von den fränkischen und sächsischen Großen und Bischöfen zum