Full text: [Teil 1, [Schülerband]] (Teil 1, [Schülerband])

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Priester der Kikonen in Jsmaros geschenkt hatte, weil wir bei der 
Zerstörung der Stadt ihn und sein Haus verschonten. Mit großem 
Bedacht versorgte ich mich mit dem süßen, herzbezwingenden Trank; 
denn es ahnte mir, ich würde aus unbändige Menschen stoßen, nicht 
zu bezwingen durch Recht noch durch Rede. 
Als wir angekommen waren, verbarg ich mein Schiff vorsichtig 
in einer heimlichen Bucht und trat mit meinen Gefährten und mei¬ 
nem Weinschlauche an das Land. Nicht fern erblickte ich eine ge¬ 
waltige Felsenhöhle, rings umbaut mit einem Walle von großen 
Steinen und beschattet von einer Reihe hochstämmiger Fichten und 
Eichen. Das war die Wohnung des fürchterlichsten unter den 
Riesen, wo er nachts mit allen seinen Ziegen und Schafen hauste; 
denn Herden zu weiden war seine einzige Beschäftigung. Er war 
ein Sohn Poseidons und Polyphemus sein Name. Auf der Stirn 
hatte er wie alle Kyklopen ein einziges, aber entsetzliches Auge und 
in seinen Armen lag eine Kraft Felsen wegzuwälzen und Granit¬ 
blöcke wie Kiesel durch die Luft zu schleudern. Einsam zog er auf 
dem Berg umher und keiner der andern Kyklopen hatte Umgang 
mit ihm; denn er war roh und sann nur auf Verderben und bos¬ 
haften Frevel. 
Ich Unglücklicher, das nicht vorher zu wissen! Ich ging mit 
zwölf der tapfersten Genossen auf die offene Höhle zu, die wir so¬ 
gleich betraten. Wir fanden ihn nicht darinnen; denn noch war die 
Sonne nicht untergegangen und er weidete in der Ferne noch seine 
Herden. Wunderbar erschien uns der Anblick der Ställe umher, die 
voll von Lämmerchen und jungen Ziegen waren, jede Gattung be¬ 
sonders eingesperrt. Da standen Körbe und Kübel mit Käse und 
Milch, auch Molken in großen Gefäßen und Eimer zum Melken. 
Meine Begleiter hatten große Lust ein paar Körbe mit Käse auf¬ 
zuladen, eine Partie Lämmer und Zicklein vor sich hinzutreiben und 
so auf dem Schiffe schnell wieder zu entfliehen, ehe der grause 
Höhlenkönig nach Hanse käme. Aber das verbot ich; denn ich war 
allzu begierig den Mann kennen zu lernen und hoffte wohl im 
Guten ein Gastgeschenk von ihm zu bekommen, wie es unter gast¬ 
freien Menschen Sitte.ist. Aber wie hatte ich mich geirrt! 
Wir sehten uns nieder in der Höhle, zündeten ein Feuer an 
zum Opfer und aßen zum Zeitvertreib ein paar Käse, bis der Kyklop 
zurückkommen würde. Erst am Abend erschien er mit seiner ganzen 
Herde vor dem Eingänge; wir traten erschraken beiseite und er 
sah uns nicht gleich. Auf seiner Schulter trug er eine gewaltige 
Last gespaltenen Holzes, das er sich mitgebracht hatte um das 
Abendessen zu bereiten. Mit lautem Getöse stürzte er die ganze 
Ladung auf den Boden nieder. Da krachte der Felsen und wir 
flohen aus Furcht in den innersten Winkel der Höhle. Dann trieb 
er die Ziegen und Schafe herein und verrammelte den Eingang mit
	        
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