Full text: [Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerband])

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aus den Blüten saugt. Sehr oft aber braucht er auch gar nichts mehr zu 
genießen, weil er sich in dieser seiner lehten Gestalt der Welt nut ganz kurze 
Zeit zeigt. Sehr viele Insekten machen eine solche Absterbung und gaͤnzliche 
Verwandlung durch und leben hernach zuletzt als schönes geflügeltes Insekt in 
der Luft und auf Blumen, während sie vorher als Wurm in der Erde, im 
Wasser, im Morast und Unrat lebten; doch können sich auch manche Insekten, 
z. B. die häßliche Laus, der giftige Skorpion, die Spinne nicht dazu ent 
schließen, so zu sterben, und bleiben bis ans Ende das, was sie waren, eine 
häßliche Spinne oder Laus oder Skorpion. 
10 Bei einer solchen Verwandlung kann man sich viel denken, und schon die 
Alten haben deshalb den Schmetterling und seine Verwandlung als ein Sinn— 
bild der Unsterblichkeit der Seele betrachtet. 
193. Die Ameisen. 
Gude) 
15 Die Ameisen zerfallen, wie die Bienen, in drei Stände oder vielmehr 
in drei durch die Natur selbst errichtete Kasten: in Männchen, Weibchen und 
Arbeiter. Alle haben sechs Füße, einen dreiteiligen Leib, drei Brustringel 
und einen durch einen Bauchstiel davon geschiedenen Hinterleib. Am Kopfe 
sitzen zwei hornige, säbelartig gekrümmte Oberkiefer. Sie sind Waffen und 
20 Werkzeuge zugleich, die beim Bauen der Wohnungen, beim Einfangen der 
Tiere, bei Raufereien und Zänkereien mit den Feinden treffliche Dienste leisten. 
Die der Männchen und Weibchen sind zarter gebaut, als die der Arbeiter; die 
Augen dagegen treten bei jenen weiter hervor, als bei diesen, obschon sie 
nie nach Arbeit umschauen. Auch überragen sie die Arbeiter an Körperlänge 
25 und haben außerdem zum Unterschiede von diesen Flügel, welche sie jedoch 
nur schwingen, wenn sie sich zu ihrem Vergnügen in die Lust erheben 
wollen, denn das Arbeiten ist ihre Sache eben nicht. In großen Schwärmen 
erheben sie sich, wie die Mücken, und halten hoch über der Erde gesellige 
Tänze. Bald darauf sterben die Männchen, die Weibchen aber kommen nach 
0 solchen Tünzen gewöhnlich mit zerbrochenen oder ausgerissenen Flügeln zurück, 
denn diese sind bei keinem Insekt so verletzlich, als bei den Ameisen. Der 
zahlreichste Stand ist der der Arbeiter. Rüstig und unermüdlich bauen sie 
den ganzen Sommer hindurch an der Wohnung, aber soviel Fleiß und Aus— 
dauer sie auch im Bauen entwickeln, — die Sorgfalt, mit welcher sie auf 
z5 die Jugend achten, überbietet doch alles und ist wahrhaft rührend. Die Kinder 
werden nämlich nicht in der Familie bei den Eltern, sondern gemeinschaftlich 
in den Sälen und Gewölben ernährt und erzogen. Das Weibchen und 
Männchen kümmert sich nicht um sie, desto mehr der schon mit täglicher 
Arbeit hart belastete dritte Stand Vom Frühjahr bis in den August hinein 
10 legen nämlich die Weibchen Eier, die so winzig klein sind, daß man sie kaum 
sehen kann. Sie liegen in den verschiedenen Kammern des Gebäudes Was 
man im gewöhnlichen Leben für Ameiseneier ausgibt, sind die aus den Eiern 
gewordenen Puppen. Ehe jedoch die Puppe entsteht, ist aus ne erst eine 
weiße Made geworden. Dieser arme Wurm ohne Füße würde elendiglich 
iz umkommen, wenn sich seiner nicht die Arbeiter mütterlich annähmen. In
	        
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