Full text: Der deutsche Kinderfreund

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II. Erzählungen 
lichen Bauer, der eben aus der Stadt gefahren kam, und 
mit dessen Hülfe er den halbtodten Fremden sehr bald 
»ns Leben brachte. Fröhlich wanderte er nun nach Hau¬ 
se. WaS urtheilet ihr von Kunz? Und was urtheilet ihr 
von KlauS? Wessen Betragen wollet ihr zum Muster 
nehmen. 
18. Die Furchtsame. 
28ilhelmine hatte eine abergläubische Wärterin, wel¬ 
che ihr oft Gespenstergeschichten erzählte; dabei hatte man 
es ihr angewöhnt, immer bei einer Lampe, und nie al¬ 
lein zu schlafen. Dadurch wurde sie furchtsam. Sie war 
schon zehen Jahre alt, als cs sich traf, daß alle ihre Ge¬ 
schwister krank wurden, und da ihr Vater gerade ver¬ 
reist war, so mußte es sich Wilhelmine zum ersten Male ge¬ 
fallen lassen, allein zu schlafen. Daher gerierh sie nun 
in große Angst, besonders da die Mutter keine Lampe 
in ihrer Kammer wollte brennen lassen, sondern meinte, 
das große Mädchen könnte auch wohl einmal im Finstern 
zu Bette gehen. Gar zu gern hätte sie in der Kranken¬ 
stube geschlafen; aber dies wollte die Mutter nicht zuge¬ 
ben, weil sie dadurch leicht hätte angesteckt werden kön¬ 
nen. Weinend gieng Wilhelmine in ihre Kammer, zog 
sich hastig aus, und steckte aus Furcht den Kopf unter 
das Deckbett. Von Zeit zu Zeit zog sie ihn dann scheu 
hervor, um Luft zu schöpfen, und sich ängstlich in der 
Kammer umzusehen. Aus ein Mal glaubte sie an der 
Kammerthür eine lange weiße Gestalt zu erblicken. Vol¬ 
ler Schrecken zog sie sich das Deckbett über den Kops, 
und der Angstschweiß lief ihr von der Stirn. Lange 
konnte sie es in dieser Lage nicht aushalten: sie wagte 
es endlich auf einen Augenblick den Kopf hervor zu zie¬ 
hen, und siehe da, die schreckliche weiße Gestalt stand 
nicht nur immer an der Kammerthür, sondern bewegte 
sich auch. Jetzt fieng Wilhelmine laut an zu schreien, 
und in dem Augenblicke trat ihre Mutter in die Kam¬ 
mer. Aber Kind, was ist dir denn! rief sic ihr zu: träu¬ 
mest du? oder wachst du? Ach Mutter! Mutter! die wei¬ 
ße Gestalt! Ich glaube gar, du sichst Gespenster, erwie¬ 
derte die Mutter; ermuntre dich, und fasse Muth. Wa- 
stngstiget dich denn? Es kam nun heraus, daß Wilhel- 
mine
	        
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