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Ein paar Stunden darauf kam der Schulze tu die Dorfschenke. Sogleich fiel
ihm der junge Mensch ins Gesicht. Er saß ganz allein an einem Tischchen und ver¬
zehrte sein Abendbrod! Ei, willkommen! rief der Schulze, treffen wir uns hier,
guter Freund? Der junge Mensch stutzte, sah ihm scharf ins Gesicht und
wußte nicht, woher die Bekanntschaft kam. Ist er nicht der junge Wanderer, fragte
der Schulze, der diesen Abend da draußen am Wege das Brett einer Gartenthür
festgemacht hat? — „Ja, der bin ich." — Nun gut! so kommt, Nachbar Hans, sagte
der Schulze zum Garteueigenthümer, der zufällig auch da war, kommt und bedankt
ench bei dem wackern Fremdling. Er hat im Vorbeigehen eure zerbrochene Garten¬
thür ausgebessert. Nachbar Hans schmunzelte, sagte seinen Dank und setzte sich neben
dem Schultheißen traulich zu dem Fremdling. Alle Gäste lauschten auf ihr Gespräch.
Es betraf das Handwerk, die Wanderungen und Kundschaften desselben, und in allen
Anwesenden erwachte der einmüthige Wunsch, ihn zum Gemeindeschmid zu bekommen,
weil Allen der Zug von gemeinnütziger Denkart gefallen hatte.
Hämmerlein mußte bleiben, und da er schon am folgenden Morgen einen Be¬
weis von seiner Geschicklichkeit in der Vieharzneikunst und im Beschlagen gab, so
war nur eine Stimme für ihn: dieser und kein anderer soll Gemeindeschmid werden.
Man schloß den Vertrag mit ihm ab, und Meister Hämmerlein war unvermuthet
Schmidmeister eines großen Dorfes, das er wenige Stunden zuvor auch nicht ein¬
mal dem Namen nach gekannt hatte. Sage mir nun noch einer: „wer ungebeten
zur Arbeit geht, geht ungedankt davon!"
Zu seiner Besoldung gehörte unter anderm ein Grundstück, das er alljährlich
mit Kartoffeln oder andern Früchten bestellte. Da er den Acker zum erstenmal in
Augenschein nahm, bemerkte er auf dem Fahrweg verschiedene Löcher, in welche die
Wagen bald rechts, bald links schlugen. — „Warum füllt ihr doch die Löcher nicht
mit Steinen aus?" fragte Hämmerlein die Nachbarn, welche den Acker ihm zeigten.
„Je", sagten diese, „man kann vor andern Arbeiten nicht dazu kommen." — Was
that aber Meister Hämmerlein? So oft er auf seinen Acker ging, las er von ferne
schon Steine zusammen und schleppte deren oft beide Arme voll bis zu den Löchern.
Die Bauern lachten, daß er, der selbst kein Gespann hielt, für Andere den Weg
besserte; aber ohne sich stören zu lassen, fuhr Meister Hämmerlein fort, jedesmal
wenigstens ein paar Steine auf dem Hin- und Herweg in die Löcher zu werfen,
und in etlichen Jahren waren sie angefüllt. „Seht ihrs", sagte er nun, „hätte Jeder
von euch, der leer die Straße fuhr, auf dem Weg die Steine zusammengelesen, auf
den Wagen geladen und in die Löcher geworfen, so wäre der Weg mit leichter Mühe
in einem Vierteljährchen eben worden.
98. Segen und Nnfegen eines Hanfes.
Ich bin jung gewesen und bin alt worden, und ich habe mich
viel und oft umgesehen, wie es dem Frommen und dem Gottlosen
auch gehe. Ich habe die Knaben meines Dorfes mit mir aufwachsen
sehen, ich sah sie Männer werden, Kinder und Kindskinder zeugen,
und nun habe ich von meinem Alter alle bis auf sieben zu Grabe
begleitet. Gott, du weißt meine Stunde, wenn ich meinen Brüdern
folgen soll! Meine Kräfte nehmen ab; aber mein Auge harret dein,