133
von Schlafen und Wachen. „Da liege ich wieder," sagte er mit
hohler Stimme. Seine Binder kamen und küßten ihn. Er bewies
keine Teilnahme, äußerte kein Zeichen des väterlichen Dankes.
Sein Zustand wurde von Tag zu Tag gefährlicher und schien
schon vier Tage vor seinem Tode rettungslos. Die Augen lagen
tief im Kopfe; jeder Nerv zuckte krampfartig. Das Mädchen brachte
Zitronen herein. Er griff hastig nach einer, als wenn er sie ver¬
schlingen wollte, legte sie aber gleich mit matter Hand wieder hin.
Den Abend verfiel er in eine Fieberphantasie und verharrte in
diesem Zustand vierundzwanzig Stunden. Als sein Bewußtsein
zurückkehrte, ließ er sich sein jüngstes ftinb bringen. Er wandte
sich mit dem klopfe um, nach dem 5txnbe zu, faßte es an der Hand
und sah ihm mit unaussprechlicher Wehmut ins Gesicht. Dann
fing er an bitterlich zu weinen, steckte den ctopf ins Kissen und
winkte, daß man das Kind wegbringen möchte. Da ahnte ihm,
wie bald er sich von dem Engel trennen sollte, — und in vier¬
undzwanzig Stunden war sein edles Herz gebrochen.
Noch in der letzten Nacht saß er aufrecht im Bett und sprach
mit großer Geisteskraft, besonders über die bevorstehende Reise
seiner Gattin ins Bad. Gegen Morgen schlief er ein, bis zehn
Uhr vormittags. Dann phantasierte er, kam wieder zu sich und
nahm nun sichtbar an Kräften ab. Um vier Uhr nachmittags
forderte er Naphtha; aber die letzte Silbe erstarb in seinem Munde.
Er versuchte zu schreiben, brachte aber nur drei Buchstaben hervor,
in denen noch der Charakter seiner Schriftzüge ersichtlich war.
Nun schwanden die letzten Lebenskräfte, in wenig Minuten lag er
entschlafen da, voll Ruhe in dem im Tode edeln, großen Blicke.
— Ich muß abbrechen. Es ergreift mich zu heftig. Ich kann Dir
nicht sagen, was ich noch gern sagen wollte. In dem einliegenden
Papier wirst Du teuere Reliquien finden. Nimm diese Locke vom
Haupte des Edlen und hebe sie auf zu seinem Angedenken.
Die Angst und den Schmerz der Gattin und der ältesten
Kinder beschreibe ich Dir nicht. Karl, der Älteste, ganz das Eben¬
bild des Vaters, lag auf dem Boden und wehklagte, vom fürchter¬
lichsten Schmerz zerrissen, der kleine Ernst saß in der Ecke, die
Hände gefaltet, und weinte ruhiger. Karolinchen wußte nicht, was
das Ganze zu bedeuten hatte. Der Tod, von dem sie noch keinen
Begriff hatte, war ihr nicht fürchterlich. Sie sagte ganz ruhig: