Full text: [Abteilung 2 = Klasse 3 und 2 (Achtes und neuntes Schuljahr), [Schülerband]] (Abteilung 2 = Klasse 3 und 2 (Achtes und neuntes Schuljahr), [Schülerband])

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von Schlafen und Wachen. „Da liege ich wieder," sagte er mit 
hohler Stimme. Seine Binder kamen und küßten ihn. Er bewies 
keine Teilnahme, äußerte kein Zeichen des väterlichen Dankes. 
Sein Zustand wurde von Tag zu Tag gefährlicher und schien 
schon vier Tage vor seinem Tode rettungslos. Die Augen lagen 
tief im Kopfe; jeder Nerv zuckte krampfartig. Das Mädchen brachte 
Zitronen herein. Er griff hastig nach einer, als wenn er sie ver¬ 
schlingen wollte, legte sie aber gleich mit matter Hand wieder hin. 
Den Abend verfiel er in eine Fieberphantasie und verharrte in 
diesem Zustand vierundzwanzig Stunden. Als sein Bewußtsein 
zurückkehrte, ließ er sich sein jüngstes ftinb bringen. Er wandte 
sich mit dem klopfe um, nach dem 5txnbe zu, faßte es an der Hand 
und sah ihm mit unaussprechlicher Wehmut ins Gesicht. Dann 
fing er an bitterlich zu weinen, steckte den ctopf ins Kissen und 
winkte, daß man das Kind wegbringen möchte. Da ahnte ihm, 
wie bald er sich von dem Engel trennen sollte, — und in vier¬ 
undzwanzig Stunden war sein edles Herz gebrochen. 
Noch in der letzten Nacht saß er aufrecht im Bett und sprach 
mit großer Geisteskraft, besonders über die bevorstehende Reise 
seiner Gattin ins Bad. Gegen Morgen schlief er ein, bis zehn 
Uhr vormittags. Dann phantasierte er, kam wieder zu sich und 
nahm nun sichtbar an Kräften ab. Um vier Uhr nachmittags 
forderte er Naphtha; aber die letzte Silbe erstarb in seinem Munde. 
Er versuchte zu schreiben, brachte aber nur drei Buchstaben hervor, 
in denen noch der Charakter seiner Schriftzüge ersichtlich war. 
Nun schwanden die letzten Lebenskräfte, in wenig Minuten lag er 
entschlafen da, voll Ruhe in dem im Tode edeln, großen Blicke. 
— Ich muß abbrechen. Es ergreift mich zu heftig. Ich kann Dir 
nicht sagen, was ich noch gern sagen wollte. In dem einliegenden 
Papier wirst Du teuere Reliquien finden. Nimm diese Locke vom 
Haupte des Edlen und hebe sie auf zu seinem Angedenken. 
Die Angst und den Schmerz der Gattin und der ältesten 
Kinder beschreibe ich Dir nicht. Karl, der Älteste, ganz das Eben¬ 
bild des Vaters, lag auf dem Boden und wehklagte, vom fürchter¬ 
lichsten Schmerz zerrissen, der kleine Ernst saß in der Ecke, die 
Hände gefaltet, und weinte ruhiger. Karolinchen wußte nicht, was 
das Ganze zu bedeuten hatte. Der Tod, von dem sie noch keinen 
Begriff hatte, war ihr nicht fürchterlich. Sie sagte ganz ruhig:
	        
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