Full text: Deutsches Lese-, Lehr- und Sprachbuch für Schule und Haus

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wenn sich etwas Erkleckliches damit verdienen ließe, wolle er ei¬ 
gens das ganze Kunststück noch einmal machen. 
Von dem vielen Reden und Trinken ward er endlich müde und 
legte sich ans die Ofenbank und schlief ein. Als die letzten Gaste 
eben das Wirtshaus verlassen wollten, bemerkten sie, daß er aller¬ 
lei ängstliche Gebärden mache und ein banges Stöhnen ausstoße. 
Er fuhr mit den Händen in der Luft umher, als ob er sich an et¬ 
was halten wollte; dann schrak er wieder heftig zusammen. Es 
war offenbar, daß er den Fall, den er am Vormittage gethan hatte, 
noch einmal dnrchträumte, und die Gäste fanden eine große Belu¬ 
stigung darin, seine seltsameil Bewegungen anzuschauen, besonders 
da' sie merkten, daß er jeden Augenblick von der Bank herunter 
falleil müsse. Endlich iilachte er wieder eine Bewegung imb fiel 
wirklich unter schallendem Gelächter der Allwesenden von der Bank 
herab in die Stube. Sie erwarteten, ihn nun anfwacheil zu sehen; 
aber er blieb liegen, ohne ein Glied zn rühren, lind als sie hinzu¬ 
traten lind ihll ailfaßten, war er — todt! — Er hatte vergessen, 
dem die Ehre zu geben, der ihn am Morgen unversehrt den Sturz 
ill die Tiefe hatte thun lasseil; so hat er sich am Abeild von einer 
Bank herab zu Tode gefalleii. 
10. Gott und genug! 
In der Stadt war Markt. Da hatteil sich viele Kaufleute 
versammelt nnb ihre schönsten Waaren ausgelegt: seidene und baum¬ 
wollene Tücher, gelb nnb roth, grün und blau, mit Blumen und 
Fransen, Ringe nnb Armspangen nnb Halsketten; die Drechsler 
hatten Spielwarcn, Trommeln imb Pfeifen und Steckenpferde aus¬ 
gekramt; dort [tauben die Buden mit Mützen, und am Rathhanse 
standen die Tische mit Honigkuchen und Pfeffernüssen. In alleil 
Buden und an allen Tischen standen Lellte, die Geld hatteil nnb 
kauften. 
Da drängte sich auch eine arme Frau mit ihren Kindern zwi¬ 
schen ben Leuten hindurch. Die Kinder hatteil ihr keine Riihe ge¬ 
lasseil, bis sie mit ihneil zur Stadt auf ben Markt gegangen war, 
wo es so schöne Sachen zit seheil gab. Kaufen tonnte sie ihren 
Kindern aber nichts, denn sie hatte den letzten Groschcil für ein 
Pfund Salz ausgegeben. Als nun die Kinder neben ihr herliefen 
nnb nach den schönen Spielsachen Hinzeigteil, da wurde es der 
Mutter schwer umö Herz. Aber es wurde ihr iloch schwerer, als 
sie zu den Tischeil am Rgthhause kamen, nnb der kleine Konrad 
zupfte sie am Arnre, beim er war hungrig geworden von dem Lau¬ 
fen. Die Mutter sucht in allen Taschen und findet nichts als ein 
Stücklein hartes Brot, das giebt sie dem Kinde. Nun kann sie 
es in der Stadt aber auch nicht länger aushalten; es ist ihr zu 
eng darin geworden und sie eilt mit ben Kindern hinaus unter 
Gottes freieil Hinlmel nnb der Heimat zu. 
Mit nassen Augeil kommt sie zum Vater. Der hatte heute
	        
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