420 Poesie. — Die Sage.
3. Und seine Glocken klangen Da reißt die kluge Rechte
So voll, so hell, so rein: Der jähe Zorn ihm fort.
Er goß auch Lieb' und Glauben 16. Er stößt sein scharfes Messer
Mit in die Form hinein. Dem Buben in die Brust;
4. Doch aller Glocken Krone, Dann stürzt er nach dem Kessel,
Die er gegossen hat Sein selber nicht bewußt.
Das ist die Sünderglocke 17. Vielleicht, daß er noch retten
Zu Breslau in der Stadt. Den Strom noch hemmen kann:
5. Im Magdalenenthurme Doch sieh! der Guß ist fertig,
Da hängt das Meisterstüch Es fehlt kein Tropfen dran.
Rief schon manch starres Herze 18. Da eilt er, abzuräumen,
Zu seinem Gott zurück. Und sieht und will's nicht sehn,
6. Wie hat der gute Meister Ganz ohne Fleck und Makel
So treu das Werk bedacht! Die Glocke vor sich stehn.
Wie hat er seine Hände 19. Der Knabe liegt am Boden,
Gerührt bei Tag und Nacht! Er schaut sein Werk nicht mehr:
7. Und als die Stunde kommen, Ach, Meister, wilder Meister!
Daß alles fertig war, Du stießest gar zu sehr.
Die Form ist eingemauert, 20. Er stellt sich dem Gerichte,
Die Speise gut und gar; Er klagt sich selber an:
8. Da rust er seinen Buben Es thut den Richtern wehe
Zur Feuerwacht herein: Wohl um den wackern Mann;
„Ich lass' auf kurze Weile 21. Doch kann ihn keiner retten
Beim Kessel dich allein; Und Blut will wieder Blut:
9. Will mich mit einem Trunke Er hört sein Todesurthel
Noch stärken zu dem Guß; Mit ungebeugtem Muth.
Das giebt der zähen Speise 22. Und als der Tag gekommen,
Erst einen vollen Fluß. Daß man ihn führt hinaus,
10. Doch hüte dich und rühre Da wird ihm angeboten
Den Hahn mir nimmer an: Der letzte Gnadenschmaus.
Sonst wär' es um dein Leben, 23. „Ich dank' euch, spricht der Melsl
Fürwitziger! gethan.“ Ihr Herren lieb und werth!
11. Der Bube steht am Kessel, Doch eine andre Gnade
Schaut in die Glut hinein: Mein Herz von euch begehrt:
Das wogt und wallt und wirbelt 24. Laßt mich nur einmal hören
Und will entfesselt sein, Der neuen Glocke Klang!
12. Und zischt ihm in die Ohren Ich hab' sie ja bereitet,
Und zuckt ihm durch den Sinn Möcht' wissen, ob's gelang.“
Und zieht an allen Fingern 25. Die Bitte ward gewähret,
Ihn nach dem Hahne hin. Sie schien den Herrn gering;
15. Er fühlt ihn in den Händen, Die Glocke ward geläutet,
Er hat ihn umgedreht; Als er zum Tode gieng.
Da wird ihm angst und bange, 26. Der Meister hört sie klingen
Er weiß nicht, was er thät: So voll, so hell, so rein;
14. Und läuft hinaus zum Meister, Die Augen gehn ihm über,
Die Schuld ihm zu gestehn, Es muß vor Freude sein;
Will seine Knie' umfassen 27. Und seine Blicke leuchten,
Und ihn um Gnade flehn. Als wären sie verklärt;
15. Doch wie der nur vernommen Er hatt' in ihrem Klange
Des Knaben erstes Wort, Wohl mehr, als Klang, gehört.