259
Hände, die so wenig damals mit den Sachen des Luxus bekannt waren, daß
sie die silbernen Teller anfangs für Zinn hielten, und das Stück für einige
Groschen verkauften. Auch verlor hier Karl seinen großen Diamant, der
größer wie eine welsche Nuß war, und von ihm höher geschätzt wurde als
eine ganze Provinz. Er war auf der Flucht verloren gegangen. Ein Schwei¬
zer fand ihn auf der Landstraße, hielt ihn für Glas, warf ihn verächtlich
weg, und steckte nur das Futteral ein. Endlich bückte er sich doch, das Stück¬
chen Glas — den Kindern mitzubringen Zu Hause verkaufte er ihn für
einen Gulden. Aber nun erkannte man den Stein; er ging aus einer Hand
in die andere, jedes Mal theurer, und wurde zuletzt für 20,000 Ducaten,
noch immer sehr wohlfeil, von Ludwig XIV. erhandelt?)
Karl war außer sich vor Wuth, daß ihn die von ihm so verachteten
Bauern besiegt hätten, warb schnell ein neues, noch größeres Heer, und griff
schon am 22. Juni desselben Jahres die Schweizer zum zweiten Male an.
In der Schlacht bei Murten verlor er den Kern seiner Leute. Zwanzig¬
tausend Burgunder wurden theils erschlagen, theils in den See gesprengt,
und Karl mußte wieder sein ganzes Lager mit allen Schätzen, die er mit sich
zu führen pflegte, auf dem Schlachtfelde stehen lassen. Der Todten waren
so viele, daß man die Gebeine in ein Beinhaus sammelte. Es ist 1798 durch
die Franzosen zerstört worden. Ueber der Thüre stand die einfache Inschrift:
„Dies hat das Heer des berühmten und tapfern Karl zum Andenken hinter¬
lassen."
Die neue Niederlage hatte Karl ganz außer sich gebracht. Bald wüthete
er wie rasend, bald saß er in tiefes Schweigen versunken da, sprach und aß
nicht. Dann fuhr er wieder wild auf, knirschte mit den Zähnen, zerraufte
sich das Haar, und wollte auch seine liebsten Räche nicht vor sich lassen.
Zuletzt warb er ein drittes Heer, bot seine letzten Kräfte auf, und ging zunächst
auf Renatus los, der ihm indessen Lothringen nebst Nancy wieder entrissen
hatte. Er legte sich vor Nancy. Hierhin zogen auch die Schweizer zum
Beistände des Herzogs von Lothringen. Am 5. Januar 1477 kam es zur
Schlacht bei Nancy. Als man am Morgen Karl sein rabenschwarzes
Schlachtpferd vorführte, und er sich in den Sattel schwang, fiel die Zierde
seines Helmes, ein goldener Löwe, herab auf den Sattelknopf. „Das ist von
Gott!" seufzte Karl, gab einem seiner Diener versiegelte Befehle, was nach
seinem Tode geschehen sollte, und ritt in die Schlacht. Unter seinen Officieren
traute er keinem mehr als einem Italiener, dem Grafen von Campobasso,
den er mit einer italienischen Reiterschaar in seine Dienste genommen hatte.
Dieser treulose Mensch, da er merkte, daß es mit Karls Glück aus sei, ver¬
ließ ihn mitten in der Schlacht, und wollte zu den Schweizern übergehen.
Diese aber wiesen ihn zurück; an der Seite eines Berräthers zu fechten, sei
weder der Art ihrer Väter noch ihrer eignen Ehre gemäß. Campobasso be¬
setzte nun eine Brücke, über welche die Burgunder fliehen mußten, wenn sie
geschlagen wurden; hier wollte er Karl ermorden. Als dieser in der Schlacht
den rauhen Ton des Urihorns dreimal vernahm, durchfuhr ihn ein Todesschrecken;
*) Während der französischen Revolution ging er verloren und gehört jetzt dem rns-
sischen Grafen Demidow.
17*