88
war, und endlich in ein Dorf kam, erfuhr er, daß er
gar nickt auf dem rechten Wege, sondern einen vergeb¬
lichen Weg geritten wäre. Nunmehr mußte der Arzt
einen großen Umweg machen. — AIs er ankam, war der
Mann schon toDt — er wäre durch einen Aderlaß geret¬
tet worden, wäre der Arzt sogleich auf den rechten Weg
gewiesen worden.
Der schlechte Wegweiser backte wohl nickt, daß
seine eigennützige Lüge einem Menschen das Leben kosten
würde!
So schädlich ist die Lüge. Ein Dieb ist ein schänd¬
licher Mensch, aber ein Lügner nicht weniger. Lügen
und Diebstahl gehören gemeiniglich zusammen.
Ein Betrüger lügt meistens aus Eigennutz.
Sir. 7, 14. Coloss. Z, 9. Sir. 20, 26. 27.
i22. Der Taschenspieler und der Bauer.
/slink, ein Taschenspieler, verspottete den Ackermann
Steffen, als sie sich einst auf Uncm Jahrmärkte be¬
gegneten. „Bei Fürsten und Herren darf ich in die
„Stube kommen," sprach Flink, „und des Tages ein
„Gulden, ist mein geringster Verdienst." So viel ver-
„diene ich nicht," antwortete der Bauer, „aber gebt
„Acht, ich werde länger Brod haben, als ihr." Bald
darauf kam Krieg und Theurung in das Land; da
trieb der Hunger den Taschenspieler Flink unter andern
auch vor Steffens Thür.
„Wollt ihr mir als Knecht dienen?" sprach Steffen
zum bettelnden Taschenspieler, „so will ich euch Lohn
„und Brod geben." „Ach! wenn ich das gelernt hätte,"
antwortete Flink, so brauchte ich jetzt nickt zu betteln;
aber ich will euch für vier Groschen alle meine
„Künste machen." „Diese können mir den Verlust mei-
„ner Zeit nickt ersetzen," erwiederte Steffen, wenn
„mich auch das Geld nicht dauerte. Da habt ihr indeß
„ein Stück Brod, und lernt nun die Wahrheit glau-
„ben: die Kunst, die am längsten währt, ist die
„beste."