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lebendig durch seinen Tod, während unsere modernen Freiheitsdichter durch
ihr Leben ihre Gedichte tödten.
Indessen sprach sich auf einer anderen Seite eine ganz eigenthümliche
neue Richtung in der Tragödiendichtnng aus. Werner gab das Zeichen
mit seinen Söhnen des Th ales und dem vierund zwanzigsten
Februar. Ihm folgten Müllner, Houwald, Grillparzer mit ihren
Schicksalstragödien, welche als Nachahmung des antiken Drama
und seines allwaltenden Fatums, seiner nimmerruhenden Nemesis gelten
sollten, in Wahrheit aber doch großentheils Uebertreibungen zu Tage brach¬
ten, die vor lauter Schicksalsmaß das Maß der gesunden Vernunft und
der Schönheit überschritten. In diese Reihe gehören die Schuld, das
Bild, die Ahnfrau u. s. w. Auf bessere Weise arbeiteten Jffland,
Eckhof, Schröder, die großen, hochgebildeten Schauspieler, mit uner-
müdetem Eifer für das Theater. Jffland's bühnengerechte Familien¬
stücke halten sich noch jetzt hier und da auf den Brettern; Eckhof bear¬
beitete französische Dramen, Schröder suchte Shakespearische
Stücke der deutschen Bühne anzupassen, wobei denn freilich manche, nicht
wohl erklärbare Seltsamkeit zum Vorschein kam, wie z. B. daß zum Besten
des mitleidigen Publikums Hamlet am Leben bleibt. — Der fruchtbarste
und leichtfertigste unter den Theaterdichtern (wollen wir Frau von Wei-
ßenthurn und unsere moderne unerschöpfliche Schauspielfabrikantin
Birch-Pfeiffer ausnehmen) war Kotzebue, dessen Schau- und Lust¬
spiele ganz Deutschland überschwemmten. Verschmähte ja selbst Goethe
nicht, in Weimar Kotzebue'sche Stücke auf die Bühne zu bringen,
denen in gewisser Art Gerechtigkeit widerfahren zu lassen er nicht An¬
stand nahm.
Indem wir eine große Anzahl dramatischer Knnstjünger mit «Ltill-
schweigen übergehen, wenden wir uns znm Roman, welcher aus der
sentimental-langweiligen Periode eines Hermes („Sophiens Reisen
von Memel nach Sachsen") und seiner Nachahmer durch Hippel,
Wezel und Thümmel sich einer freien humoristischen, nur allzu leicht¬
fertigen Richtung zuwandte, am meisten durch St er ne's empfind¬
same Reise angeregt, die nicht aufhörte, in Deutschland große Wirkung
zu thun.
Den Gipfel und die Blüthe des deutschen humoristischen Romans
finden wir in Jean Paul Friedrich Richter (1763 bis 1825), als
Dichter kurz Jean Paul genannt. Kaum ist je ein Schriftsteller zu
gleicher Zeit so übermäßig bis iu den Himmel erhoben und so bitter gerügt
worden, als Jean Paul. Dieser Kontrast mag wohl in seinem eigenen
Wesen begründet sein, in welchem die entferntesten Gegensätze in und
neben einander liegen. Seine überschwengliche Sentimentalität hat nur
einen kleinen Schritt bis zum kecksten Humor, wie seine Idealität sich am
meisten in den kleinen Vorkommnissen des gewöhnlichen Lebens gefällt-
Stets überquellend, sei es von schwärmerischen Gefühlsergüssen oder küh¬