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thörigten Stoiz verfallen, sich schon für unter¬
wiesen, und blossen Wortkram ’überhaupt für hin¬
längliche Erkenntniss zu halten.
166. Erhebt euch nicht durch eure Kleidung
über euren Stand.
Ein gewisses Dienstmädchen war sehr eitel; suchte sein
höchstes Vergnügen in äußerm Putz, um Personen hö-
hern Standes es darin nachzuthun.— Eines Sonntags
war desscik Herrschaft zu einer Gesellschaft eingeladen.
Dein Mädchen konnte nichts erfreulicher seyn, als dies,
denn es hatte sich gerade einen ganz neuen Anzug ange¬
schafft, schonet uno modiger, als je, und nun konnt"
es heute ausgehen und darin glanzen! Diese Vorfiel-"
lung erfüllte die ganze Seele desselben mit solchem Ent¬
zücken, daß es seine Geschäfte in lauter Zerstreuung ver¬
richtete, wie eS in der Folge, als cs in sehr ärmliche
Umstände gericth, und zur Erkenntniß seines vormaligen
unwürdigen Betragens kam, selbst gestand. 9iad):
mittags legte es seinen neuen Putz cm, und ging aus-
Der Weg führte das Mädchen an dcrn Haufe vorbei,
in welchem die Herrschaft sich jetzt an der Mittagstafel
befand. Indem kam eilig ein Bedienter von einer an¬
dern Herrschaft, erkannte das geputzte Mädchen, gab
ihm einen Brief, und sagtet „gebe sie diesen Brief so-
„gleich an die Herrschaft; es hat große Eile!" — und
somit entfernte er sich schnell. — So wenig gelegen
es dein Mädchen kam, gerade jetzt an die Herrschaft
eine Bestellung zu machen und sich ihr zu zeigen: so
blieb ihm doch nichts anders übHg, als in das Haus
zu gehen, vor dem es jetzt stand. In demselben Augen¬
blicke kam der Herr des Hauses, bei welchem die Ge¬
sellschaft war, aus dem Speisezimmer; er glaubte", in
diesem Dienstmädchen ein vornehmes Frauenzimmer zu
erblicken, fragte, was zu Befehl sey, und kaum hörte
er, es habe sogleich einen Brief abzugeben, wobei es
den Namen seiner Herrschaft nannte: so führte es der
Herr, alles Straubens ungeachtet, in das Speisezim¬
mer. Beim Eintritt in dasselbe erhoben sich alle Gaste,
selbst die Herrschaft dieses Mädchens, und verbeugten
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