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1. Das schönste Kleinod einer Mutter.
Cornelia, eine edle Römerinn, die etwa 200 Jahre
vor Christi Geburt lebte, erzog ihre Kinder mit der größten
Sorgfalt, und liebte sie mit außerordentlicher Zärtlichkeit. Als
einst eine andere Römische Frau, von der sie einen Besuch er¬
hielt, von ihrem vielen Schmuck erzählte, und nun neugierig nach
den Kleinodien der Cornelia forschte, zog diese das Gespräch
so lange hin, bis ihre Kinder aus dem Unterricht kamen. Da
saßte sie solche bei der Hand, und stellte sie der Fremden vor,
indem sie die Worte sprach: Hier, diese sind mein
Schmuck! — Dennoch liebte sie ihr Vaterland noch mehr
als ihre Kinder. Denn als ihre Söhne (welche in der Geschichte
die Gracchen genannt werden) späterhin zu Aufständen und
Empörungen gegen die Republik sich verleiten ließen: da suchte
sie ihnen durch sehr ernste Vorstellungen ihre Pflicht zu Gemü¬
the zu führen. Das Volk erkannte ihre große und würdige Ge¬
sinnung, und errichtete ihr eine Ehrensäule mit der einfachen
Inschrift: der Mutter der Gracchen,
2. Die großmüthige Gattinn.
Dctavia, eine Schwester des Römischen Kaisers Au-
gustus (unter dem Christus geboren wurde), war eine der tu¬
gendhaftesten und schönsten Frauen Roms. Mit Rührung le¬
sen wir in der Geschichte, wie edel und großmüthig sie sich be¬
nahm gegen ihren undankbaren Gemahl, den Marcus An¬
tonius, Dieser Mann, den sie geheirathet hatte, um nach
den Wünschen des Volks durch dieses Bündniß die Freundschaft
zwischen ihm und ihrem Bruder desto mehr zu befestigen, ergab
sich als Feldherr, an der Seite der Königinn Kleopa tra in
Aegypten, allen Ausschweifungen und üppigen Vergnügungen.
Dennoch liebte sie ihn, und als eine Feindschaft zwischen ihm
und ihrem Bruder ausbrach, versöhnte sie beide, und schenkte
dadurch ihrem Vaterlands den Frieden. Bald nachher aber sing
Antonius sein ausschweifendes Leben mit der Kleopatra wieder
an, und vergaß seiner trefflichen Gattinn. Lange duldete sie
os; als sie aber sah, daß ihm neue Gefahr von Rom aus drohe.