1.
Gesang der Geister über den Wassern.
Von Goethe.
Werke. Stuttgart und Tübingen 1840. II, 45.
DeS Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.
Strömt von der hohen
Steilen Felswand
Der reine Strahl,
Dann stäubt er lieblich
In Wolkenwellen
Zum glatten Fels,
Und leicht empfangen,
Wallt er verschleiernd,
Leisrauschend,
Zur Tiefe nieder.
Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen,
Schäumt er unmuthig
Stufenweise
Zum Abgrund.
Im flachen Bette
Schleicht er das Wiesenthal hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Gestirne.
Wind ist der Welle
Trauter Genosse;
Wind mischt von Grund aus
Schäumende Wogen.
Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!
2.
Die Sonne und das Äuge.
Von Schubert.
Geschichte der Seele 2. Aufl. Stuttgart 1833. I, 1.
Witten in dem Reiche des Seins stehet eilte Sonne, welche
alles trägt und hält, alles belebt und bewegt; und es ist ein Auge,
selber von Sonnennatur, für jene Sonne gemacht. Die Sonne
ist Gott, das Tilge ist die Seele.
Nicht der Schrecken, nicht die Filrcht, wenn sie auf dem
Fittiche des Ungewitters oder im Donner der stürzenden und
flammenden Berge vorübergezogen, haben es dem Menschen gesagt,
daß ein Gott sei; er hat dies nicht erst in der Sterneilschrist der Werke
gelesen. — Innig tief, wie das Sehnen, das aiiö dem neugeborenen
ColShorn u. Gocdcke'8 Lesebuch III. 1