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andere Sträucher und Bäume. Der Haselstrauch ist ein Windblütler, und
daß er gerade jetzt blüht, kommt der Bestäubung ebenso zugute wie der
Bau des Kätzchens und der einzelnen Blüte. Häufiger als zu anderer Zeit
wehen im ersten Frühjahr, in den Monaten März bis Mai, lebhafte Winde;
fast täglich ist ein Luftzug vorhanden, dem die Blüte ihren Blütenstaub zur
Übermittelung nach den Stempelblüten der benachbarten Sträucher übergeben
kann. Der einfache, schmucklose Bau der Blüte — die ganze Hülle besteht
nur aus einem Schüppchen — begünstigt das Hinausfallen des Blütenstaubes
bei der geringsten Bewegung. Die Bewegung aber wird erleichtert durch
die Weichheit des hängenden Kätzchens und die Zartheit des Kätzchenstiels.
Jeder Windstoß bringt den Blütenstand in eine pendelnde Bewegung, und
diese genügt, die Staubbeutel zum Freigeben des Blütenstaubes zu veranlassen.
Der Umstand, daß der Strauch noch nicht belaubt ist, bietet der Be—
stäubung einen wesentlichen Vorteil. Wie sollte der Wind die Kätzchen er—
reichen, wenn die Blätter schon vollständig entwickelt wären, wie könnte er
den herausfallenden Blütenstaub aufnehmen und fortführen? Die Blätter
würden ihn daran hindern. Und wie sollte die vom Lufthauch davon—
getragene Staubwolke auf die Narben der Blüten anderer Haselsträucher
gelangen, wenn auch jene von Blättern umgeben, im Laube verborgen wären?
Wir erkennen also, daß die frühe, vor der Belaubung stattfindende Blüte
der Haseln von der Natur beabsichtigt ist und auf eine Erleichterung der
Bestäubung durch den Wind hinzielt.
Die Zahl der männlichen Blüten, welche in einem Kätzchen zusammen—
gedrängt stehen, geht in die Hunderte. Jede einzelne Blüte trägt acht
Staubblätter; jedes Staubblatt besitzt wiederum viele Tausende von Pollen⸗
körnern; so entwickelt ein einziger Strauch in der großen Zahl der herab—
hängenden Kätzchen eine ungeheure Menge von Blutenstaubkörnern. Über
diese Menge Blütenstaubes werden wir staunen, wenn wir die verhältnis—
mäßig geringe Zahl der weiblichen Blüten in Betracht ziehen. Diese finden
wir an den jüngeren Zweigen des Strauches, daher im allgemeinen höher
stehend oder mehr nach außen als die männlichen Blüten und so dem Winde
noch stärker ausgesetzt als jene. Sie stehen auch zu mehreren zusammen,
und ihr Blütenstand gleicht geschlossenen Blattknospen; nur die hervor⸗
ragenden rotfarbigen und fadenförmigen Griffel verraten ihre wahre Natur.
Um sämtliche Stempelblüten eines Strauches zu befruchten, würde noch nicht
der tausendste Teil der von einem Strauche gleicher Größe entwickelten
Pollenkörner nötig sein. Und doch muß die Pflanze so viel Blütenstaub
ausbilden, um die Befruchtung zu sichern. Man bedenke nur, wie unendlich
viele Staubkörner verloren gehen! Bald führt der Wind den Blütenstaub
in eine Richtung, in welcher er uüberhaupt keinen Haselstrauch antrifft; bald
schlägt ein plötzlicher Regen ganze Wolken des Staubes nieder und macht