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bcf, ich bitte daß Er Sie bekehren welle." — Am 
folgenden Tage wiederholte er eben diele Aeußerung, 
legte seine Hand auf die Brust seines Freundes und 
sagte: „Ich hoffe, Gott wird Ihr Herz rühren." 
52. Sparsamkeit aus Menschenliebe. 
Der letzte Abt und Prälat deS aufgelösten Bene- 
diktinerftifrs Banz im Würzburgischen, Gallus Deiner- 
lin, hatte einen so großen Trieb zur Wohlthätigkeit, daß 
er in Rücksicht aus seine Person für geizig gehalten 
wurde, um nur wahrhaft Nothleidende, ohne Unter¬ 
schied ihres religiösen Glaubens, mit einer beinahe ver¬ 
schwenderischen Freigebigkeit zu unterstützen. 
Einst machte ihm sein Kammerdiener bemerklich, 
daß er eines neuen Hutes und Reckes bedürfe, weil 
beide mehr abgenutzt wären, als es sich für seine Würde 
schicke. Er fertigte ihn aber mit der Antwort ab: „Der 
alte Hut ist gut für mich, ich bin ja auch alt; und statt 
eines neuen Nockes thut der alte — gewendet — auch 
noch seine Dienste." — An dem nämlichen Tage schenkte 
er einer dürftigen Familie in der Nachbarschaft 30 Thaler 
zum Ankauf eines Stückes Bieh, und 300 Gulden einer 
seiner armen Anverwandten zur Ausstattung ihrer Tochter. 
Er beauftragte einst seinen ehemaligen Mitbruder, 
Herrn Scharr, ihm in Bamberg eine goldene Uhrkette 
für 6 Carolinen zu kaufen. Aber schon einige Tage da¬ 
rauf schrieb er an denselben: „Mein Gewissen billigt 
meinen Wunsch nicht; der Lurus soll der Noth wei¬ 
chen; also keine Uhrkette, sondern Nahrung für die Ar¬ 
men. Ich habe für die 6 Carolinen Erdäpfel gekauft 
und deßhalb meinen Kutscher nach Gießbach geschickt, 
sie abholen zu lassen. Das zerrissene Uhrbändchen 
mag ich lieber noch länger sehen, als die von Hunger 
und Gram zerrissenen Gesichter der Armen." 
53. Auch ein armes blindes Mädchen kann 
wohlthun. 
Ein blindes Mädchen brachte einem Geistlichen
	        
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