Das Mittelmeergebiet. 13
Norditalien und Bulgarien. Gelegentliche Fröste und Schneefälle fehlen nirgends,
selbst in Kairo nicht.
Im Sommer bildet die Sahara mit ihrer heißen, darum dünnen und leichten
Luft ein Sauggebiet (ein „barometrisches Tief"), nach dem Luft von allen Seiten
zuströmt. Die Folge ist für das Mittelmeer ein gleichmäßiger, kräftiger Nord-
wind. Winde, die von kalten nach warmen Gegenden strömen, geben keine Feuch-
tigkeit ab; im Gegenteil, ihre Aufnahmefähigkeit für Wasserdampf steigert sich.
Daher ist der Mittelmeersommer trocken bis regenlos. Im Winter liegt
das Tiefdruckgebiet über dem Meere; dorthin strömen jetzt die Winde. Häufig
kommt die erwärmte Luft zum Aufsteigen; in größerer Höhe kühlt sie sich ab, scheidet
Wolken aus. So kommt es oft zu kräftigen, wenn auch kurz andauernden Regen-
güffen („Steigungsregen"), die abgelöst werden von heiterem Wetter. Der Winter
ist also für das Mittelmeergebiet die Regenzeit.
Die sommerliche Dürre dauert in Alexandrien 7 Monate, Palästina 6, Griechen¬
land 4, Sizilien 4—3, Ostspanien 3 Monate, in Rom, Neapel kaum noch 1 Monat. In
Oberitalien kann man bereits auf Regen in allen Jahreszeiten rechnen.
Folgen des Klimas für Bewässerung und Landschaftscharakter. Die lange
Sommerdürre bringt viele Flüsse zum Versiegen; sie werden zu periodischen
Flüssen (Wadis). In der Regenzeit dagegen schleppt jeder kleine Bach Erde und
Steine in großen Mengen fort. Nach großen Güssen erweichen, gelegentlich ganze
Berghänge und kommen ins Gleiten (Bergschlipfe, namentlich in Italien!).
Die Flüsse werden zu reißenden Strömen, zerstören Bahnen, Straßen, Brücken und
Häuser. An ihrem Unterlaufe schütten sie Gerölle auf, bauen Deltas, schaffen weite
Überschwemmungsgebiete, die dann im Sommer wieder zu fieberbrütenden Sümpfen
eintrocknen (Malaria!). Solche Flüsse eignen sich weder zur Anlage von Fabriken
und Mühlen, noch zur Schiffahrt. Selbst zur Bewässerung der Ackerflächen reichen
sie im Sommer nicht aus; die Menschen müssen Staubecken, Terrassen, Zisternen
bauen, Berieselungsanlagen schaffen. Auch in der Wohnart und Lebensweise
der Menschen zeigt sich der Einfluß des Klimas: die Orte haben enge, schatten-
spendende Gassen, die Häuser kühle Höfe, Steinfußböden. Die Südländer leben
soviel als möglich im Freien, sind abgehärtet gegen Temperaturwechsel.
Pflanzenwelt. Die Pflanzen haben in erster Linie Schutzeinrichtungen
gegen die Sommerdürre: dicke, glänzende Blätter, Haarfilz, kleine, dornartige
Blätter, Dickblätter mit Wasserspeichern, tiefgehende Wurzeln. Die nichtholzigen
Gewächse halten Sommerruhe und verlegen ihre Hauptentwicklung in das Winter-
Halbjahr. Viele Bäume und Sträucher sind immergrün. Doch beschränken sich die
immergrünen Gewächse auf den schmalen Küstensaum, der im Winter vom Meere
erwärmt wird. Die Binnenländer haben sommergrüne Laubhölzer.
Ein besonderes Merkmal der Pflanzendecke im Mittelmeergebiet ist ferner
die Weitständigkeit: nackte Bodenstellen trennen die einzelnen Pflanzengruppen.
Der Wald war ursprünglich weit verbreitet; aber er ist in der Zeit der alten
Kulturblüte vielfach vernichtet worden. Eine neue Aufforstung ist sehr schwierig, vor
allem, weil die Ziegen in den jungen Buschwald getrieben werden und die Triebe
abfressen. In den Wäldern wachsen vorwiegend Kiefern, Steineichen, Korkeichen,
Edelkastanien, Rotbuchen. Viel häufiger als Wald ist niedriges Buschdickicht (ital.
Fischer-Geistbeck-Wagner, Erdk. f. d. höh. Lehranstalten in Sachsen. IV. T. 2