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200. Was ist eine Maschine? 
Eine Maschine ist eine metallene Menschenhand.“) Weil sie aus Metall 
ist, ist sie dauerhafter, stärker, feiner, größer, kleiner, schneller als diese. 
Fast jede Tätigkeit, welche heute die Maschine verrichtet, war einmal 
Handarbeit. Wenn man eine Maschine verstehen will, so hat man etwa 
folgendermaßen vorzugehen: 
) Woher kommt die Kraft? (Muskelkraft des Menschen, Tierkraft, 
Wasser, Wind, Dampf, komprimierte Luft, Gas, Elektrizität.) 
2) Wie wird die Kraft zur eigentlichen Maschine gebracht? (Arme, 
Bänder, Stoß, Zug, Rotation, Transmission.) 
3) Welches ist die Arbeit der eigentlichen Maschine? (Ziehen, pressen, 
heben, drücken, schmieden, bohren, flechten, gießen, färben usw) 
Will man die Maschinen richtig einteilen lasfifizeren so darf man 
freilich nicht bloß nach dem Krafterzeuger fragen. Es kann sehr fort— 
geschrittene Handmaschinen und sehr rückständige Dampfmaschinen geben. 
Es kann ein und dieselbe Maschine durch alle Arten von Kraft getrieben 
werden. Die Handfertigkeit der einzelnen Maschine zu begreifen, st nicht 
so einfach, wie man gemeiniglich annimmt. Denn man muß sich bei 
jeder einzelnen Maschine ein Stück Welt- und Wirtschaftsgeschichte ver— 
gegenwärtigen. 
Was in alten Zeiten Simson und Herkules waren, sind heute Borsig, 
Flohr, Krupp, Siemens und Genossen. Borsig zeigte u. a. auf der 
letzten Pariser Weltausstellung eine Maschine von 400 Pferdekräften und 
150 Umdrehungen in der Minute. Solche 400 Pferdekräfte, unter einen 
Willen gebeugt, durch eine Schraube regiert, das ist mehr als die Be— 
wältigung des Löwen von Nemäa. Eine solche Maschine ist ein eisern 
gewordener Menschenwille. Welche Wucht liegt in der Torpedobootmaschine, 
die in der Minute 450 — 500 Umdrehungen macht. 
Der erste Zweck der großen Maschinen ist der Transport zu Wasser 
und zu Lande. Zu Wasser vertritt die Dampfmaschine das traurige Heer 
der einstigen Galeerenstlaven, sie rudert; nur heißt ihr Ruder Doppel⸗ 
schraube. Zu Lande vertritt die Dampfmaschine das Pferd, den Esel, 
den Menschen, sie zieht auf den Straßen. Auf diesem Gebiete ist die 
Kraftwirkung die u da die Technik des Ruderns und Ziehens 
einfach ist. Ähnlich liegt es bei Dampfkrahn, Pumpwerk u. dergl. 
Der zweite Zweck großer Maschinen ist die Herstellung von neuen 
Maschinen. Eine Werkzeugmaschine ist sehr lehrreich, sie ist zugleich 
Produkt der Maschinentechnik wie Urheberin derselben, sie ist die erste 
Verteilung der Kraft der Herkulesmaschinen, der Übergang von der reinen 
Kraft an sich zur speziellen Arbeit. Wir beobachten einen Mann an 
einer eisernen Hobelbank. Er hat keine Kraft nötig, aber große Sorgfalt. 
Er stellt die Eisen ein, und jeder Millimeter, den er falsch stellt, zerstört 
den Erfolg. Gerade der Eisenarbeiter, der alte Gewaltmeusch, wird heute 
vielfach zum peinlichsten Kleinarbeiter. Fast mit der Sorgfalt, mit der 
man früher das Elfenbein schnitt, schneidet man heute den Stahl. Um 
) In seinem Buche: Neudeutsche Wirtschaftspolitik nennt derselbe Verfasser die 
Maschine einen Gliederapparat für einen chemischen und physikalischen Vorgang, deren 
einfachstes und größtes Beispiel die Dampfmaschine sei. 
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