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da zogen sie mit Kind und Kegel nach Süden. Zu ihnen gesellten sich
die Teutonen. An den Alpen ließ ihnen der römische Feldherr falsche
Wege zeigen. Da besiegten sie nacheinander vier römische Heere und
teilten sich dann, damit die Teutonen vom Rhonetale und die Cimbern
vom Jnntale aus in Italien einfallen sollten. Aber der tapfere Feldherr
Marius besiegte 102 v. Chr. die Teutonen im Rhonetale und 101 v. Chr. 102
die Cimbern auf der Ebene des Po, als sie sich von der mühsamen Alpen-
Übersteigung erholen wollten. Die Schlacht war blutig und hartnäckig.
Sogar die Frauen nahmen daran teil und verteidigten wütend die Wagen-
bürg. — Später überschritten die Sneven unter Ariovist den Rhein
und überschwemmten Gallien. Da besiegte und verjagte sie Cäsar 58 v. Chr. 58
und eroberte alles Land auf dem linken Rheinufer. Drusus, des Augustus
Stiefsohn, befestigte die Rheiugrenzen durch 50 Burgen^) und unternahm
vier siegreiche Züge ins Innere von Deutschland. An der Elbe soll ihm
eine riesige Alrune (Seherin) drohend zugerufen haben: „Kehre um, Un¬
ersättlicher, deines Lebens und deiner Taten Ende ist gekommen!" Auf
dem Rückzüge stürzte er vom Pferde und starb an einer Schenkelverletzung
(9 v. Chr.). Sein Bruder, der uachmattge Kaiser Tiberius, säete Zwie- 9
tracht unter den Deutschen und unterwarf das Land bis zur Weser durch b- s*>r-
List und Ränke.
2. Wie sie unter Hermann das römische Joch abschüttelten.
Der römische Statthalter Quiuktilius Varus behandelte das westliche
Germanien wie eine eroberte Provinz. Er beseitigte die deutsche Gau-
Verfassung und führte die römische Prozeßordnung ein, d. h. bei Gerichts-
Verhandlungen mußte lateinisch gesprochen und die Sache der Deutschen
von römischen Advokaten, die sie nicht verstanden, geführt werden. Er
trieb mit Härte ungerechte Steuern ein und ließ sich von Dienern Ruten
und Beile vorantragen zum Zeichen, daß er die Deutschen peitschen und
köpfen lassen dürfe. Da schloß der kühne und gebildete Cheruskerfürst
Hermann mit befreundeten Häuptlingen ein Bündnis zur Abschüttelung
des fremden Joches. In Rom hatte er die römische Kriegskunst gelernt
und die Gunst der Römer gewonnen. Sie machten ihn zum Führer einer
Reiterschar und -hätten ihn gern ganz in ihre Dienste gezogen. Aber
Hermann blieb im Herzen ein guter Deutscher. Der Glanz Roms blen-
bete ihn nicht. Nach den grünen Wäldern seines Vaterlandes zog es ihn
zurück. Er gewann das blinde Vertrauen des Statthalters, obwohl sein
Oheim Segest diesen vor Hermann und seinen Plänen gewarnt hatte.
Segest zürnte seinem Neffen, weil dieser ihm seine Tochter Thusnelda
entführt hatte. Der betörte Varus ließ sich von Hermann ins Netz locken.
Auf die Nachricht, daß au der Ems ein Aufstand ausgebrochen sei, brach
er mit drei Legionen (etwa 18 000 Mann) dahin auf. Aber im Ten-
toburger Walde (9 n. Chr.) überfiel Hermann die vom Marsche er- 9
müdeten und vom Regen durchnäßten Römer in der Gegend des heutigen "• e^r-
l) Ein größeres, wahrscheinlich von Drusus erbautes und später von
Germanikus erneutes Kastell (zugleich befestigtes Lager) ist die auf S. Iii ab-
gebildete sogenannte Saalburg.