Full text: [Teil 5 = Kl. 5 (6. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 5 = Kl. 5 (6. Schuljahr), [Schülerband])

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gãästen, inmitten derselben und zwischen ihnen, in Zivilkleidung, 
ohne Degen, frei, heiter und unbefangen umhergehen, oft ganz 
allein in der Abenddämmerung, die seinem Gemüt am meisten 
zusagte. Bei seinem Aufenthalt in Sanssouci, Paretz und der 
Pfaueninsel waren nie Schildwachen, nie abgeschlossene Wege; wie 
alle Zugänge, so standen die Türen seiner Wohnzimmer offen, 
und er hatte nichts dagegen, wenn die Dienerschaft sich entfernte, 
und nur einer um ihn zur Aufwartung dablieb. Fremde erstaun— 
ten, wenn sie ihn auf den Straßen zu Berlin und Potsdam allein 
gehen oder in einem zweispännigen Wagen ohne Begleitung fahren 
sahen. Wie ein Privatmann still, ohne Ansprüche, ruhig und sicher 
durchs Leben aus- und eingeht, so der König, und diese beglückende 
Stimmung bewahrte er, wiewohl er wußte, daß aller Augen auf 
ihn gerichtet waren. Man will wissen und hat in diesen Tagen 
wieder behauptet, daß mehrere Attentate auf sein Leben statt— 
gefunden hätten. Bei seiner Lebensweise, in welcher der Weg zu 
seiner Person immer offen stand, wäre auch nichts leichter ge— 
wesen, als eine Freveltat an ihm zu vollbringen. Aber gewiß 
ist, daß nie ein Bösewicht oder Meuchelmörder sich seiner ge— 
heiligten Person genahet hat. Keiner von uns allen hat auf ein— 
fachen, friedlichen Pfaden sicherer gelebt und im Schatten stiller 
Häuslichkeit ruhiger geschlafen als er. Wo andere wohl einmal 
Gefahren für ihn fürchteten und zu sehen meinten, ahnte er keine 
und dachte an etwas der Art nie. Furcht lag überhaupt nicht in 
seiner Seele. Der Hohenzoller kannte sie nicht. Bei seinem Auf— 
enthalt in Erdmannsdorf, welches in romantischer Lage am Fuße 
des Riesengebirges gelegen ist, und das er sehr liebte, und wo 
er, entfernt von der großen, unruhigen Welt, sich glücklich fühlte, 
empfing er einmal ein anonymes Schreiben, dem Postzeichen nach 
aus Breslau. In demselben wurde der König in einer zwar un— 
gebildeten. doch treuherzigen, gutmütigen Sprache gewarnt, mehr 
auf seiner Hut zu sein, und gebeten, eine Wache vor seinem Hause 
aufstellen zu lassen, nicht ferner mehr bei unverschlossenen Türen 
zu schlafen und namentlich nicht abends, wie bisher geschehen, 
allein und ohne Begleitung in den benachbarten Eichen- und 
Buchenwald zu gehen. Der anonyme Schreiber bat sehr dringend, 
die gutgemeinte Warnung zu beachten, weil er gewiß wisse, daß 
ein Bösewicht, der Arges im Sinne habe, Erdmannsdorf um— 
schleiche. Der König lächelte, als er den Brief gelesen hatte, teilte
	        
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