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109. Des Handwerks goldene Zeit.
O seid gegrüßt, entschwund'ne Zeiten,
als nkan das Handwerk „golden" pries,
und, um ihm Ehre zu bereiten,
ein scder gern sein Heim verließ.
Im fernen Land lernt' er verstehen,
was fremder Sinn und Fleiß erfand;
begeistert konnte er da sehen
manch' Werk von kunstgeübter Hand.
Und war nach eifrigem Bestreben
das Meisterstück sein Eigentum,
so galt's nur dem Beruf zu leben,
zu seinem und des Handwerks Ruhm.
Wie sich hier Fleiß und Kunst bewährten
wird jetzt bewundernd noch erschaut;
und Kaiser selbst und Fürsten ehrten
den, der der Nachwelt dies erbaut.-
Was Meistersänger einst gesungen,
was mächtig klang zum Himmel auf,
der Zünfte Lob, — cs ist verklungen
in tiefbewegter Zeiten Lauf.
Doch wollt des Handwerks Ruhm ihr
wahren,
muß Ordnung, Fleiß und Frömmigkeit
mit Treu und Einigkeit sich paaren;
dann blllht's in neuer Herrlichkeit.
Leo Eschrich.
110. Entstehung des Handwerks.
Ms die Germanen den Boden Deutschlands in Besitz genommen hatten,
sorgte zunächst jede Familie selbst für die Befriedigung der Lebensbedürfnisse.
Die Frauen und Töchter spannen und webten in unterirdischem Raume,
der gegen die Kälte mit Dünger belegt wurde, leinene und wollene Stoffe;
sie färbten mit Färberröte und blauem Waid; sie verfertigten wasserdichten
Flaus, feine Franzen und Bortcit und stickten mit der Nadel. Die
Knechte, die Hörigen, betrieben meist die unentbehrlichsten Handwerke, die
für Ausstattung der Wohnung, für Kleidung, Waffen und Werkzeuge zu
sorgen hatten. Einen gesonderten Handwerkerstand gab es selbst in der Zeit
des Frankenreichs noch nicht. Gewiß kam es nicht selten vor, daß ein Mann
Zimmermann, Schreiner, Schmied, Weber, Schuhmacher, Schneider u. s. w.
in einer Person war. Doch begannen sich einzelne Kunsthandwerke, zumal die
Goldschmiedekunst und die Holzschnitzerei, bereits zu entwickeln. Die Hörigen
wohnten oft in großer Zahl auf den Besitzungen der Adeligen und der be¬
güterten Freien. Verschiedene Klassen von Handwerkern, denen je ein vom
Herrn ernannter Meister vorstand, unterschied man bereits auf den großen