Full text: Anschaulich-ausführliches Realienbuch

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5. Knechte, seid nicht allzu eifrig, 
Jedes Hälmlein heimzuholen: 
Laßt der Flur die letzte Garbe 
Für des alten Wodans Fohlen. 
6. Laßt dem Baum den letzten Apfel 
Für den alten Wodan selber; 
Voller trägt aufs Jahr der Wipfel, 
Und der Weizen färbt sich gelber. 
7. Aiga, rümpfe nicht das Näschen, 
Löblich ist der Brauch der Alten; 
Auf dem Hof zu Vodinkthorpe 
Soll man ihn in Ehren halten." 
8. Aiga sprach: „Der Vogelzehent 
Ist es, den wir gern ertragen, 
Daß uns nicht die kleinen Bettler 
Vor der Himmelstür verklagen." 
9. Sprach der Alte: „Kleine Aiga, 
Kluge Aiga, Preis und Ehre 
Deinem Vater, würd' ich sagen, 
Wenn ich nicht dein Vater wäre. 
10. Denk an deine Sprüche, Aiga, 
Daß die Worte fein sich schicken 
Und der Graf und Hildegunde 
Sich erfreun und Beifall nicken. 
11. Vorwärts, Gerd!"—Der Wagen 
Obenauf im Mägdekreise sknarrte, 
Dierk und Kord, und laut und lustig 
Klang des Stoppelliedes Weise. — 
12. Auf dem Hof zu Vodinkthorpe 
Stand der Graf im Ring der Gäste, 
Edler Herrn und freier Bauern, 
Die er lud zum Erntefeste: 
13. Bodo, zubenannt der Milde, 
Hergeschickt von Karl, dem alten 
Frankenkönig, um im grünen 
Nethegau des Rechts zu walten. 
14. Neidern hieß er noch der Schwarze, 
Streute gleich in seine Locken 
Lange schon unholder Winter 
Silberreif und weiße Flocken. 
15. Eine Nos' im wilden Walde, 
Lieblich ihm zur Seite blühte 
Hildegund, der heimgegangnen 
Mutter gleich an Huld und Güte. 
16. Gleich der heimgegangnen Mutter 
Schaltete sie auf dem Hofe; 
Emsig durch Gemach und Garten 
Schlüpfte Jmma, ihre Zofe. — 
17. Wo sich, grün umrankt, der Vor- 
Wölbte an des Hauses Pforte, fbau 
Tauschten die entbotnen Männer 
Mit dem Grafen muntre Worte. 
18. Badurad, der gute Bischof, 
Pries dem Wirt die Paderquelle, 
Abt Marin von Dreizehnlinden 
Seiner Weser blaue Welle. 
19. Elmar, Herr vom Habichtshofe, 
Trat zum Bischof, seinem Öhmen; 
Freundlich war er, doch er wollte 
Nicht die Hand des Jünglings nehmen. 
20. Im Gesicht des Heidenmannes 
Starb ein Lächeln trüb' und schmerzlich; 
Werinhard, der Freiling, drückte 
Ihm die Linke fest und herzlich. 
21. Gero sah's, der gelbe Franke, 
Jüngst gesandt als Königsbote, 
Der dem Gau mit neuen Diensten, 
Neuem Zins und Zehnten drohte. 
22. Herbe war er, doch die Rede 
Wußt' er schmeichelnd zu versüßen, 
Wenn er plaudernd in der Halle 
Saß zu Hildegundens Füßen. 
23. Jetzt, begrüßt von allen, nahte 
Hildegunde mit des grauen 
Eschenburgers blonden Töchtern 
Und vom Turm den edlen Frauen. 
24. Und ins Tor mit Sang und Jubel 
Fuhr der Wagen unterdessen; 
Jsenhard, den Hut im Arme, 
Trat herfür und sprach gemessen:
	        
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