4 Erstes Hauptstück. - Das Altertum.
die unter verschiedenen Lebensbedingungen zu unterschiedenen
Bildungen gelangt sind.
§ 2. Ägypten, die zwischen wüsten Hochflächen sich zum Mittel¬
meer öffnende Thalspalte des Nils, die der Strom alljährlich durch
seine Überschwemmung düngt und die ihre Bevölkerung wahrschein¬
lich durch Einwanderung aus Asien empfing, gilt als die früheste
Stätte höherer menschlicher Kultur. Schon die ältesten Schriften
der Hebräer und Griechen kennen es als solche. Allerdings haben
die von beit Priestern aufgestellten Königslisten, denen die Herrschaft
der Götter vorausgeht, so wenig Anspruch auf Glaubwürdigkeit wie
ihre Einteilung ber ägyptischen Geschichte in Hunbsstentperioben zu
1460 ----- 4 . 365 Jahren; bei jeboch bie Denkmale Ägyptens, zugleich bie
ältesten ber Erbe, daVVolk schon im Besitz langer Kunstübung nnb selbst
ber Schrift zeigen, es auch schon um 2800 v. Chr. bas Jahr von 360
Tagen mit bem von 365 Tagen vertauschte, so muß ber Anfang höherer
Bildung in Ägypten bereits jenseits 3000 Jahre v. Chr. fallen.
Die strenge Gesetzmäßigkeit im Natnrleben ihres Laubes führte
bie Ägypter frühzeitig zu einer festen Ausprägung ihrer religiösen
Vorstellungen. Von ben älteren Gottheiten, bie in einzelnen Lades¬
tellen unter verschobenen Formen verehrt würben, wie ber Sonnen¬
gott zu Memphis als Ptah, zu Theben als wibberköpsiger Arnim,
ber auch auf ber westlichen Oase ein Heiligtum besaß, zu On als
Rah, wie zu Afchmunein Thot, in Sais bie Neith, in Bubastis
bie Pacht, verschmolzen später mehrere mit emberen jüngern Ur¬
sprungs, namentlich mit bem Osiris, ber Leben gebenben, nnb Isis,
ber Leben empsangenben Macht. In bem Mythus von bem Typhon,
bem zerstörenben Glntwinbe, ber ben Osiris erschlägt, bann aber
von dessen unb ber Isis Sohn ^Horns, bem siegreichen Lichtgotte,
überwunben wirb, personifizierten bic Ägypter ben Kreislauf zwischen
Leben unb Tob, ben Kampf ber segenspenbenben mit ben verberb¬
lichen Kräften, ben bie Natur ihres Laubes ihnen unablässig vor
Augen stellte. Göttliche Verehrung wibmeten sie auch gewissen
Tieren, z. B. ber Kuh, ber Katze, bem Sperber, bem Reiher, bem
Ibis, auch dem Krokodil, in deren typischen Gestalten sie Erscheinungen
des göttlichen Lebens erblickten; das heiligste derselben war der zu
Memphis als Inkarnation des Ptah verehrte Apisstier. Weil aber
auch der Mensch eine Erscheinungsform des Göttlichen ist, suchten
sie ihre Leichen gleich denen der heiligen Tiere als Mumien durch
Einbalsamierung und Verwahrung in unzerstörbaren und festver¬
schlossenen Gräbern vor Verwesung und Vernichtung zu schützen;