Full text: Lesebuch für höhere Bildungsanstalten (4)

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Hier an des See's unwirthlichem Gestade 
Zusammenführte in der Geisterstunde? 
Was soll der Inhalt sein des neuen Bunds! 
Den wir hier unter'm Sternenhimmel stiften? 
St auf fach er (tritt in den Ring). 
Wir stiften keinen neuen Bund; es ist 
Ein uralt Bündniß nur von Väter Zeit, 
Das wir erneuern! Wisset, Eidgenossen! 
Ob uns der See, ob uns die Berge scheiden, 
Und jedes Volk sich für sich selbst regiert, 
So sind wir eines Stammes doch und Bluts, 
Und eine Heimath ist's, aus der wir zogen. 
Winkelried. 
So ist es wahr, wie's in den Liedern lautet, 
Daß wir von fern her in das Land gewallt? 
O, theilt's uns mit, was euch davon bekannt, 
Daß sich der neue Bund am alten stärke. 
Stauffacher. 
Hört, was die alten Hirten sich erzählen. 
— Es war ein großes Volk, hinten im Lande 
Nach Mitternacht, das litt von schwerer Theu- 
rung. 
In dieser Noth beschloß die Landsgemeinde, 
Daß je der zehnte Bürger nach dem Loos 
Der Väter Land verlasse. — Das geschah! 
Und zogen aus, wehklagend, Männer und 
Weiber, 
Ein großer Heerzug, nach der Mittagssonne, 
Mit dem Schwert sich schlagend durch das 
deutsche Land, 
Bis an das Hochland dieser Waldgebirge; 
Und eher nicht ermüdete der Zug, 
Bis daß sie kamen in das wilde Thal, 
Wo jetzt die Muotta zwischen Wiesen rinnt. 
Nicht Menschenspuren waren hier zu sehen, 
Nur eine Hütte stand am Ufer einsam. 
Da saß ein Mann und wartete der Fähre; 
Doch heftig wogete der See und war 
Nicht fahrbar; da besahen sie das Land 
Sich näher und gewahrten schöne Fülle 
Des Holzes und entdeckten gute Brunnen, 
Und meinten, sich im lieben Vaterland 
Zu finden. — Da beschlossen sie zu bleiben, 
Erbaueten den alten Flecken Schwytz 
Und hatten manchen sauren Tag, den Wald 
Mit weit verschlungnen Wurzeln auszuroden. 
D'rauf, als der Boden nicht mehr G'nügen 
that 
Der Zahl des Volks, da zogen sie hinüber 
Zum schwarzen Berg, ja, bis an's Wei߬ 
land hin, 
Wo, hinter ew'gen Eiseswall verborgen, 
Ein andres Volk in andern Zungen spricht. 
Den Flecken Stanz erbauten sie am Kern¬ 
wald, 
Den Flecken A l t o r f in dem Thal der Reuß; 
Doch blieben sie des Ursprungs stets gedenk; 
Aus all' den fremden Stämmen, die seitdem 
In Mitte ihres Lands sich angesiedelt, 
Finden die Schwytzer Männer sich heraus, 
Es giebt das Herz, das Blut sich zu erkennen. 
(Reicht rechts und links die Hand hin.) 
Auf der Mauer. 
Ja, wir sind eines Herzens, eines Bluts! 
Alle (sich die Hände reichend.) 
Wir sind ein Volk, und einig wollen wir 
handeln. 
Stauffacher. 
Die andern Völker tragen fremdes Joch; 
Sie haben sich dem Sieger unterworfen. 
Es leben selbst in unsern Landesmarken 
Der Sassen viel, die fremde Pflichten tragen. 
Und ihre Knechtschaft erbt auf ihre Kinder. 
Doch wir, der alten Schweizer echter Stamm, 
Wir haben stets die Freiheit uns bewahrt. 
Nicht unter Fürsten bogen wir das Knie, 
Freiwillig wählten wir den Schirm der Kaiser. 
Rösselm ann. 
Frei wählten wir des Reiches Schutz und 
Schirm; 
So steht's bemerkt in Kaiser Friedrich's Brief. 
Stauffacher. 
Denn herrenlos ist auch der Freiste nicht. 
Ein Oberhaupt muß sein, ein höchster Richter, 
Wo man das Recht mag schöpfen in dem 
Streit. 
Drum haben unsre Väter für den Boden, 
Den sie der alten Wildniß abgewonnen, 
Die Ehr' gegönnt dem Kaiser, der den Herrn 
Sich nennt der deutschen und der welschen 
Erde, 
Und, wie die andern Freien seines Reichs, 
Sich ihm zu edlem Waffendienst gelobt; 
Denn dieses ist der Freien einz'ge Pflicht, 
Das Reich zu schirmen, das sie selbst beschirmt.
	        
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