24. Aus dem Norden.
261
Buchenwäldern und Obstbünmen, von der Weinrebe und den Weizen¬
feldern. Anfangs begleiten ihn zwar noch alte Bekannte: Apfelbäume.
Buchen und Eichen; aber je weiter er reist, desto mehr bleibt einer nach
dem anderen zurück, bis er zuletzt nur noch die düstere Tanne und die
zierliche Birke neben sich bemerkt. Aber ehe er sich's versieht, sind auch
diese zu Zwergen zusammengeschrumpft, die kauernd hinter Klippen und
in Schluchten Schutz suchen. Hält er noch immer nicht an in seiner
Wanderung, so nehmen auch die Zwerglein von ihm Abschied, und nun
erinnert ihn nur noch Weidengebüsch an sein Heimatland, bis auch dieses
verschwindet, Heidekraut das endlose Wellenland überzieht, Moose und
Flechten den Boden polstern und als die einzig Unüberwindlichen sieg¬
reich über die Feinde alles Lebens, über Frost und Schnee triumphieren.
Das Blöken der Schaf- und Rindviehherden hat sein Ohr schon längst
nicht mehr vernommen, schöne, kräftige Hirten sein Auge schon längst
nicht mehr gesehen. Die Menschen, die er hier und dort antrifft,
kommen ihm fremdartig vor, kleiner als daheim, mit einem anderen
Schnitt der Kleider und einem anderen Schnitt des Gesichtes. Es sind
die Lappländer, mit welchen er im Norden von Schweden und Norwegen
Bekanntschaft macht.
Auch mit dem Renntiere wird er Freundschaft schließen müssen;
denn ohne dieses Tier könnte er in Lappland gar nicht leben. Es gehört
zu dem Hirschgeschlecht und hat unter allen Hirscharten die gedrungenste
und kräftigste Gestalt. Sein Hals ist kurz und muskulös, sein Hns
platt, seine Beine sind aus starken Knochen zusammengefügt; mit einem
Worte, der ganze Bau dieses Hirsches ist zum Ertragen von Beschwerden,
zum Ziehen von Lasten eingerichtet. Wie kein anderes Tier, weiß es sich
auf einem Boden zu ernähren, der acht Monate des Jahres mit Schnee
und Eis bedeckt ist. Das Männchen wie das Weibchen hat ein Geweih,
während bei den übrigen Hirscharten nur das Männchen auf diese Zierde
stolz sein kann; und da manche dieser Geweihe fünfzig Pfund wiegen,
so ist daraus schon zu ermessen, wie kräftig das Tier sein muß. Hunger
erträgt es ohne viel Beschwerde; Moos ist sein Lieblingsgericht, und
trotz dieser kärglichen Nahrung überwindet es viel besser als das Pferd
alle Schwierigkeiten, welche Schnee- und Eisfelder bieten. Unglaubliches
vermag es vor dem Schlitten zu leisten. Wegstrecken, wozu der Lappe
im Sommer drei Tage braucht, durchläuft es im Winter in einem Tage.
Nur gegen die Wärme ist es empsindlich. Kommt daher die kurze
Sommerzeit, so ist der Lappe gezwungen, mit seinem Renntiere aus
den warmen Thälern auf die Berge zu flüchten, und selbst da sucht er
sich gern ein Schneefeld zum Ruhen aus. So ist der Bewohner des