fullscreen: Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen

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25. Der Zigeunerbube im Norden. 
Nordens von Europa ein Nomade geworden, weil die Renntiere, welche 
ihm Kleidung und Nahrung geben, Nomaden sind. Im Winter lebt er 
in den Thälern; im Sommer schlägt er seine Wohnung in den Bergen 
auf. Birkenstämme bilden das Gerüst, Renntierfelle die Decke des Zeltes, 
in welchem nicht nur Weib, Kind und Gesinde, sondern auch die Hunde 
wohnen. Diese treiben jeden Tag die Herde zum Melken zusammen, 
und wie der Lappe keine andere Milch als die seiner gezähmten Hirsche 
kennt, so kennt er auch kein anderes Bett als das Fell derselben. Seine 
Herden sind sein einziger Reichtum, und Glück und Unglück hängt hier 
von dem Besitz des Renntieres ab. Wer Herr einer Herde von tausend 
Renntieren ist, gilt für einen reichen Mann. Wird dem Lappländer ein 
Kind geboren, so beschenkt er es mit einem Renntierkalbe; bekommt es 
den ersten Zahn, so wird es wieder mit einem solchen Geschenk bedacht. 
Gude. 
23. I>er Zigeuneröube im Morden. 
Fern im Süd das schöne Spanien, 
Spanien ist mein Heimatland, 
Wo die schattigen Kastanien 
Rauschen an des Ebro Strand; 
Wo die Mandeln rötlich blühen, 
Wo die reife Traube winkt 
Und die Rosen schöner glühen 
Und das Mondlicht goldner blinkt. 
Und nun wandr' ich mit der Laute 
Traurig hier von Haus zu Haus; 
Doch kein helles Auge schaute 
Freundlich noch nach mir heraus. 
Spärlich reicht man mir die Gaben, 
Mürrisch heißet man mich geh'n; 
Ach, den armen, braunen Knaben 
Will kein einziger versteh'n. 
Dieser Nebel drückt mich nieder, 
Der die Sonne mir entfernt, 
Und die alten lust'gen Lieder 
Hab' ich alle fast verlernt. 
Immer in die Melodien 
Schleicht der eine Klang sich ein: 
In die Heimat möcht' ich ziehen, 
In das Land voll Sonnenschein. 
Als beim letzten Erntefeste 
Man den großen Reigen hielt, 
Hab' ich jüngst das allerbeste 
Meiner Lieder aufgespielt. 
Doch wie sich die Paare schwangen 
In der Abendsonne Gold, 
Sind auf meine dunkeln Wangen 
Heiße Thränen hingerollt. 
Ach, ich dachte bei dem Tanze 
An des Vaterlandes Lust, 
Wo im duft'gen Mondenglanze 
Freier atmet jede Brust; 
Wo sich bei der Zither Tönen 
Jeder Fuß beflügelt schwingt 
Und der Knabe mit den Schönen 
Glühend den Fandango schlingt. 
Nein, des Herzens sehnend Schlagen, 
Länger halt' ich's nicht zurück! 
Will ja jeder Lust entsagen, 
Laßt mir nur der Heimat Glück! 
Fort zum Süden! fort nach Spanien, 
In das Land voll Sonnenschein! 
Unter'm Schatten der Kastanien 
Muß ich einst begraben sein. 
E. Geibcl.
	        
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