gemacht hatte und in Zukunft machen wollte, daß nämlich der 
Reichstag der Negierung befehlen dürfe, wieviel Soldaten die Re¬ 
gierung in Südwestafrika haben dürfe und mit Wievielen Sol¬ 
daten unsere Offiziere dort kämpfen und siegen sollten. Deshalb 
wurden auch so viele Flugblätter verbreitet. Und eins war 
neulich dabei, so eins habe ich selber noch nie gesehen, da 
waren nicht nur Bilder drauf — das mag Wohl auch früher 
schon mal auf Flugblättern gewesen fein, obwohl ich mich 
darauf auch nicht besinne — aber da waren sogar farbige 
Bilder drauf. Und Versammlungen werden jetzt auch in Berlin 
und in der ganzen Umgebung tagtäglich gehalten. Da kommen 
dann öfter die Herren hin, die da gewählt werden wollen und 
„entwickeln ihr Programm". Das heißt, sie sagen, was sie alles 
tun wollen, wenn sie erst Abgeordnete sind, und was sie über¬ 
haupt möchten, was alles in Deutschland eingerichtet werden 
soll. Aber die Herren, die Abgeordnete werden wollen, also die 
„Kandidaten" nennt man sie, die können unmöglich in allen Ver¬ 
sammlungen sein. Denn in einem Wahlkreise, wo ein solcher Ab¬ 
geordneter gewählt werden soll, da sind mitunter ein Dutzend 
Versammlungen an einem und demselben Abend. Da müssen also 
noch sehr viel andere Männer kommen und Reden halten 
und den Wählern alles erzählen, was die Kandidaten tun 
wollen, für die die Redner grade sprechen. Diese Leute nennt 
man Agitatoren. Das sind bei vielen Parteien Leute, die eigens 
dafür angestellt sind und die auch dafür bezahlt werden. Aber 
sehr oft sind das auch solche, die es ganz freiwillig tun und nur 
darum tun, damit sie helfen, daß der gewühlt wird, den sie gerne 
gewählt haben möchten. Und das Ganze zusammen, die Versamm¬ 
lungen und das Redenhalten, das nennt man die Wahlagita¬ 
tion. Davon ist nun natürlich in den Wochen vorher am 
meisten zu merken. 
Denn es ist immer eine andere Sache, ob ein Reichstag auf 
gewöhnliche Art gewählt wird, weil seine fünf Jahre um sind, oder 
ob der Kaiser und die verbündeten Regierungen den Reichstag 
aufgelöst haben. Wenn der Reichstag seine fünf Jahre abgedient 
hat, dann ist alles in Ordnung, und dann werden die Wähler bloß 
gefragt, ob sie mit ihren alten Abgeordneten noch zufrieden sind 
oder ob sie zur Abwechselung mal andere haben wollen. Und da 
ist eigentlich weiter nichts Aufregendes dabei. Und die Wahl¬ 
agitatoren, die müssen schon künstlich ein bißchen Aufregung 
machen, damit überhaupt etwas von der Sache zu merken ist. 
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