wird, daß dann einer von der andern Partei gewählt wird. Und
jeder Abgeordnete sorgl zunächst immer dafür, daß möglichst viele
Abgeordnete von seiner Partei gewählt werden, daß „der Partei
kein Mandat verloren geht."
Also das sind nur noch Nachwahlen, die jetzt noch kommen,
die gehören nicht mehr zur eigentlich richtigen Wahl. Denn solche
Nachwahlen kommen in der ganzen Zeit, wo es einen Reichstag
gibt, immer mal wieder vor. Z. B. wenn ein Abgeordneter stirbt,
dann muß auch eine Nachwahl gemacht werden. Darum weiß
man jetzt also ganz genau, wie der neue Reichstag für die ganze
Zeit, wahrscheinlich also für fünf Jahre aussehen wird. Da
können dann alle die, die mit dem vorigen Reichstag unzu¬
frieden waren, jetzt sagen, daß sie mit dem neuen Reichs¬
tag sehr zufrieden sind. Denn die Parteien, die damals
weniger Stimmen hatten als die andern, also das Zen¬
trum und die Sozialdemokraten zusammen, die haben jetzt im
ganzen viel mehr Stimmen als das Zentrum und die Sozialdemo¬
kraten zusammen. Ja, es haben sich sogar alle Leute gewundert,
daß der Unterschied so groß ist. Die die größte Hoffnung hatten, die
hatten gemeint, es würden ein paar Stimmen Mehrheit für die
Regierung sein, nun aber sind es beinah ein paar Dutzend.
Die Freude darüber ist denn auch an vielen Orten im ganzen
deutschen Reich sehr groß. Und auch in Berlin war sie sehr groß;
nur natürlich bei den Sozialdemokraten nicht. Denn denen ist es
ja am „Tage des Volksgerichts" recht schlecht gegangen. Bei den
Stichwahlen ist es ihnen ein bißchen besser gegangen, als es ihnen
im schlimmsten Fall hätte gehen können. Ich sagte im vorigen Ab¬
schnitt, daß in den Stichwahlen kein einziger Sozialdemokrat ge¬
wählt werden könnte, wenn wirklich alle anderen Parteien gegen
die Sozialdemokratie zusammenhielten. Aber die andern Par¬
teien haben das nicht getan. An manchen Orten haben Leute von
andern Parteien für Sozialdemokraten gestimmt oder sie sind ganz
zu Hause geblieben. Und wenn dann der Sozialdemokrat einige
Stimmen mehr hatte als der, der nach ihm die meisten hatte, dann
wurde natürlich der Sozialdemokrat gewählt. Und an mehreren
Orten haben namentlich die Anhänger der Zentrumspartei für die
Sozialdemokratie gestimmt. Das ist ja nun in einer Hinsicht sehr
wunderbar, denn von den Sozialdemokraten sagt man doch immer,
daß sie keine C h r i st e n sein wollen, ja sogar, daß sie nicht leiden
wollen, daß irgend einer, der mit ihnen gut Freund ist, nebenbei
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