2. Die Blümchen, blau und gelb und
weiß,
die kommen all' herbei,
Vergißmeinnicht und Ehrenpreis,
Zeitlos' und Akelei.
3. Maiglöckchen spielt zum Tanz im
Nu,
und alle tanzen dann;
der Mond sieht ihnen freundlich zu,
hat seine Freude dran.
4. Den Junker Reif verdroß das sehr,
er kommt ins Thal hinein;
Maiglöckchen spielt zum Tanz nicht mehr,
fort sind die Blümelein.
5. Doch kaum der Reif das Thal
verläßt,
da rufet wiederum
Maiglöckchen zu dem Frühlingsfest
und läutet: bim, bam, bum!
6. Nun hält's auch mich nicht mehr
zu Haus,
Maiglöckchen ruft auch mich; 10
die Blümchen gehn zum Tanz hinaus,
zum Tanze geh' auch ich!
22. Die Himmelschlüsselchen.
Wagner.
Unter dem schattigen Gebüsch hervor leuchtet das goldgelbe Himmel—
schlüsselchen. Vom feuchten, rasigen Waldgrund schaut es uns freundlich
entgegen.
Dicht am Boden breitet es eine zierliche Rosette von fingerlangen, ei—
rundlichen Blättern aus. Ihre Oberfläche erscheint runzelig kraus, ihr Rand
ist zierlich gesägt und gewellt. Die Blattmasse zieht sich am Blattstiel hinab,
allmählich in diesen verlaufend.
Aus der Mitte des Blattkreises erhebt sich schlank und keck der flaumig ?0
behaarte Blütenschaft. An seiner Spitze trägt er eine Dolde zahlreicher
Blumen. An ihrem Grunde sind die Blütenstiele von zwei oder drei kleinen
Deckblättern umgeben.
Welche Pracht zeigen die Blumen! Im bauchigen Kelche, der an seiner
Mündung mit 5 Zähnen endet, steckt eine zierliche, goldfarbige Röhre, oben 2
breitet sich der Blumensaum wagrecht aus und zerspaltet sich in fünf schwach
ausgerandete Theile. Aus der Mitte der Röhre ragt der Stempel hervor.
So gleicht die Blume ganz einem Schlüssel zu einem altdeutschen Dorn—
schloß. Aber es ist ein Schlüssel aus lebendigem, duftendem Gold, er öffnet
kein irdisches Schloß, er ist nur gut genug für den Himmel. So nannte z0
man denn das Blümchen „Himmelschlüsselchen“.
Weißt du wohl, wie das Himmelschlüsselchen es anfängt, daß es zuerst
von allen seinen Geschwistern im Walde auf dem Platze ist? Du siehst, die
Glocken und Winden, die Goldruthen und Dolden, Habichtskräuter und
Nelken schlafen noch sämmtlich.
Ich will dir das kleine Geheimnis des Himmelschlüsselchens verrathen.
Als das Samenkörnchen, aus welchem die Primel entstanden ist, im
vergangenen Sommer auf die feuchte Erde fiel, und die verrotteten Blätter
des Strauches es deckten, säumte es nicht lange, sondern begann hurtig zu
wachsen. Es benutzte jeden Augenblick Zeit, jedes Krümchen gute Erde 0
und jede Spur Wasser daran. Zunächst verwendete es alles, was es er—
worben, um sich in der Tiefe gehörig zu festigen. Ein Würzelchen trieb's
nach dem andern und streckte es im Grunde weiter und weiter. Jedes
Fäserchen mußte sofort auch wieder mit arbeiten helfen und neue Nahrung
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