134 63. Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst (1640—1688).
4. Unabhängigkeit Preußens (1657). Das Herzogtum Ost¬
preußen stand unter polnischer Oberhoheit. Als polnischer Vasall
hatte Friedrich Wilhelm in Warschau vor dem Polenkönige die Knie
beugen lind ihm den Lehnseid schwören müssen. Solches wollte er
seinen Nachkommen gern ersparen' Preußen sollte von Polen frei
werden. Ein Krieg zwischen Polen und Schweden bahnte ihm die
Wege. Der Kurfürst hielt es zuerst mit den Schweden, die ihm im
Vertrage von Labia n (1656) den unabhängigen Besitz
Preußens zugestanden. In der Schlacht bei Warschau (1656)
ward Polen geschlagen. Da nun aber die Schweden den weiteren
Krieg mit den Polen dem Großen Kurfürsten allein überließen, schloß
dieser mit den Polen zu W e h l a u einen Vertrag (1657), in
dem sie ihm auch die Unabhängigkeit Preußens zusicherten.
Nun kämpfte der Große Kurfürst mit den Polen gegen die Schweden.
Er hatte dabei die Hoffnung, Vorpommern zu erwerben; zugleich war
er sich aber auch bewußt, daß er die Ehre des ganzen deutschen Volkes
in diesem Kriege verteidigte. Damals ließ er eine Schrift verbreiten,
in der es heißt: „Ehrlicher Teutscher, dein edles Vaterland war leider
bei den letzten Kriegen unter dem Vvrwande der Religion und der
Freiheit gar zu jämmerlich zugerichtet und an Mark und Bein der¬
maßen ausgesogen, daß von einem corpore schier schon nichts übrig
geblieben ist als das bloße Skeleton. Was sind Rhein, Elbe, Oder,
Weserstrom heute anders als fremder Nationen Gefangene? Was ist
unsere Freiheit und Religion mehr, als daß Fremde damit spielen?
Bede n f_c, daß du ein Teutscher bi st !" Die Hoffnung,
Vorpommern zu erwerben, erfüllte sich allerdings nicht; doch wurde im
frieden z u Oliva (bei Danzig) im Jahre 1660 dem Kurfürsten
der u ii abhängige Besitz von Preußen bestätigt. So hatte
er dieses Ziel wenigstens erreicht. Während er als Kurfürst von
Brandenburg unter dem Kaiser stand, hatte er als Herzog von Preußen
keinen Herrn über sich. Demi Preußen gehörte nicht zum deutschen
Reiche und jetzt auch nicht mehr zu Polen. Die Preußen selbst waren
über diesen Wechsel der Herrschaft keineswegs erfreut; denn ihr
deutsches Gefühl war unter dem politischen Zepter erstorben; auch
fürchteten sie das stramme Regiment des neuen Herrschers. Sie mußten
indes nach längerem Sträuben zu Königsberg den Huldigungseid
leisten. Bald söhnten sie sich völlig mit ihrer neuen Stellung aus. y
b) Friedenstätigkeit des Großen Kurfürsten.
Hebung der Landwirtschaft. Von Anfang seiner Regierung
aii war der Große Kurfürst bestrebt, die Wunden, die der Dreißig¬
jährige Krieg seinem Lande geschlagen hatte, zu heilen und den Wohl¬
stand seiner Untertanen zu bessern. Vor allem suchte er der Land¬
wirtschaft zu helfen. In die verödeten Gegenden ließ er von der
unteren Elbe und Weser, sowie aus Holland Ansiedler kommen, die
den wüsten Boden in Ackerfelder und Wiesen umschufen. Er nötigte
die Bauern, bei ihren Häusern Gärten anzulegen und Obstbäume zu
pflanzen. Ihm selbst war es eine liebe Erholung, Obstbäume zu ver-