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gern in dem Gewühl, das sich um die Bartholomäuskirche herum
versammelte. Hier hatte sich von den frühesten Zeiten an die
Menge der Verkäufer und Krämer übereinander gedrängt, und
wegen einer solchen Besitznahme konnte nicht leicht in den neueren
Zeiten eine geräumige und heitere Anstalt Platz finden. Die
Buden des sogenannten Pfarreisens waren uns Kindern sehr be¬
deutend, und wir trugen manchen Batzen hin, um uns farbige,
mit goldenen Tieren bedruckte Bogen anzuschaffen. Nur selten aber
mochte man sich über den beschränkten, vollgepfropften und unrein¬
lichen Marktplatz hindrängen. So erinnere ich mich auch, daß ich
immer mit Entsetzen vor den daranstoßenden, engen und häßlichen
Fleischbänken geflohen bin. Der Römerberg war ein desto an¬
genehmerer Spielplatz. Der Weg nach der neuen Stadt durch die
Neue Kräm war immer aufheiternd und ergötzlich; nur verdroß es
uns, daß nicht neben der Liebfrauenkirche eine Straße nach der
Zeil zuging, und wir immer den großen Umweg durch die Hasen¬
gasse oder die Katharinenpforte machen mußten. Was aber die
Aufmerksamkeit des Kindes am meisten an sich zog, waren die vielen
kleinen Städte in der Stadt, die Festungen in der Festung, die
ummauerten Klosterbezirke nämlich und die aus früheren Jahr¬
hunderten noch übrigen mehr oder minder burgartigen Räume:
so der Nürnberger Hof, das Kompostell, das Braunfels, das
Stammhaus derer von Stallburg und mehrere in den späteren
Zeiten zu Wohnungen und Eewerbsbenutzungen eingerichtete Festen.
Nichts architektonisch Erhebendes war damals in Frankfurt zu
sehen; alles deutete auf eine längst vergangene, für Stadt und
Gegend sehr unruhige Zeit. Pforten und Türme, welche die
Grenze der alten Stadt bezeichneten, dann weiterhin abermals
Pforten, Türme, Mauern, Brücken, Wälle, Gräben, womit die
neue Stadt umschlossen war: alles sprach noch zu deutlich aus,
daß die Notwendigkeit, in unruhigen Zeiten dem Gemeinwesen
Sicherheit zu verschaffen, diese Anstalten hervorgebracht, daß die
Plätze, die Straßen, selbst die neuen, breiter und schöner ange¬
legten, alle nur dem Zufall und der Willkür und keinem regelnden
Geiste ihren Ursprung zu danken halten. Eine gewisse Neigung
zum Altertümlichen setzte sich bei dem Knaben fest, welche be¬
sonders durch alte Chroniken, Holzschnitte, wie z. B. den Grave-
schen von der Belagerung von Frankfurt, genährt und begünstigt