64 Ausführliche Behandlung ausgewählter Abschnitte aus der Länderkunde.
werden hier neue Ablagerungen erschlossen und wahrscheinlich ist, daß das Kohlen-
gebiet im ganzen 4b00—62uO qkm einnimmt, von denen mindestens vier Fünftel
im Deutschen Reiche gelegen sind. Zu diesem Reichtum an Kohlen gesellt sich
ein kaum minder ausfälliger an Erzen. Die Eisengewinnung wird nur durch die
Lothringens und des Rheinischen Schiefergebirges übertroffen, die Produktion an
Blei mißt sich gleichfalls mit der des Schiefergebirges und des Mansfelder Berg-
landes. Fast einzig und unerreicht aus der Erde ist die Gewinnung von Galmei,
welches zu Zink verhüttet wird. So glücklich vereinigen sich hier die verschiedenen
Reichtümer der Erdtiefen, daß ein einziger Schacht nicht bloß Zink, Blei und
Eisen zugleich erschließt, sondern auch hiuabsührt in das kohlenreiche Gebirge.
Verkehrswege. Neben dem Reichtum und der Verteilung der Boden-
erzeugnisse hat die Häufigkeit und Anordnung der Verkehrswege aus die Be-
siedlung bestimmend eingewirkt. Wohl ist die Mitteldeutsche Gebirgs-
schwelle wie alle gebirgigen Länder im großen und ganzen als Verkehrshindernis
zu bezeichnen und daraus erklärt sich auch ihre Rolle als Scheide zwischen Nord-
nnd Süddeutschland. Allein sie ist zu wenig boch und viel zu wegsam, als daß
sie in vollkommener Weise die erwähnten Teile Deutschlands trennen könnte. Ohne
Gebirge überschreiten zu müssen, kann man aus verschiedenen Linien aus dem süd-
westdeutschen Becken nach der großen nördlichen Ebene gelangen. Uber die Mittel-
deutsche Landschwelle hängen Nord- und Süddeutschland mit vielen Fäden zusammen
und diese erhalten um so höhere Bedeutung, je inniger das politische Band beide
Gebiete umschließt. Alle von Natur aus vorgezeichneten meridionalen Wege durch
die Landschwelle werden daher auch durch Straßenzüge ausgezeichnet.
Der namhasteste der letzteren knüpst sich begreiflicherweise an das herrliche
Tal, in dem der für die Schiffahrt ganz hervorragend geeignete Rhein die ganze
Landschwelle durchmißt. Schon zu Zeiten der Römer entwickelte sich ein lebhafter
Schiffsverkehr auf dem Strome, der sich im Mittelalter mächtig steigerte. Damals
erblühten unweit seines llnterlaufes mächtige Städte, für die er die wichtige Straße
nach dem Südwesten des Reiches war, und damals einten sich die Städte des
Rheins zu einem mächtigen Bündnisse zur Sicherung des Rheinverkehrs. Später
ging der letztere allmählich zurück, als die Niederländer Selbständigkeit gewannen
und auf dem Seewege die Erzeugnisse des fernen Indiens herbeiführten, die bis
dahin über Land und auf dem Rheine zu ihnen gelangten, uud als zugleich
zahlreiche Zollstätteu (der Mäuseturm, die Pfalz bei Kaub u. a. m.) entstanden.
Erst im 19. Jahrhuudert trat nach Aushebung der Zollstätten, nach Sprengung
der Felsen des Binger Loches und Einführung der Dampfschisfahrt bei dem Empor-
blühen der rheinischen nnd vor allem der niederrheinisch-westfälischen Industrie ein
gewaltiger Aufschwung ein. Allein der Umstand, daß sein Mündungsgebiet in
den Händen eines fremden Staates ist, der dem Ausschwung des deutschen Handels
scheel zusieht, ist immer noch einer freien Entfaltung der Schiffahrt _ zum Meere
hinderlich. Nur zwischen den deutschen Ländern herrscht recht lebendiger Verkehr
auf dem Strome, ein großer Teil wird von seiner natürlichen Straße nach
Bremen und Hamburg abgelenkt, und der bald entstehende Kanal, der den Rhein
mit der Weser verbindet, wird die Ablenkung zum Schaden der Niederländer noch
mehr fördern. Neben der außerordentlich lebhaften Schiffahrt mühen sich zwei
Eisenbahnlinien, den Verkehr zu bewerkstelligen.