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98. (Eine Stunde im Walde in Usambara.
(Es ist Januar, die Sonne brennt auf die dürren Gräser, die Büsche
lassen das Laub hängen,- nur der Hochwald trotzt den Sonnenstrahlen und
bietet mit dichtem Schatten dem müden Wanderer einen angenehmen
Aufenthalt. Einsam sitze ich, abgespannt und müde vom langen Marsch
durch öde Busch- und Grassteppen, unter dem grünen Laubdach seiner
Urwaldriesen und warte auf meine Träger.
Zwei Eichhörnchen treiben in den Zweigen ihr munteres Spiel. Ge¬
wandt springen sie von Bst zu Bst, und selbst an dicken Stämmen gehen sie
hoch, froh lassen sie ihr Gekicher hören, wenn sie eine Baumfrucht ge¬
funden haben, und neidlos sieht eines dem andern bei der Mahlzeit zu.
Uechts von mir kommt mit krumm gezogenem Bücken eine Schopf-
antilope aus dem dichten Unterholz und frißt die in Hellem Grün leuch¬
tenden jungen Blätter ab. hin und wieder schüttelt sie den Kopf und ver¬
scheucht mit den verhältnismäßig großen Lauschern die lästigen fliegen.
Lin Büsselhündchen stellt sich auf die Hinterbeine und sieht gleich mir nach
der Bntilope; aber das kleine, braun und schwarz gefärbte Tierchen mit
den langen Hinterbeinen und der rüsselartig verlängerten Nase scheint zu
wissen, daß ihm durch die Bntilope keine Gefahr droht, denn ruhig scharrt
es im dürren Laub nach zarten wurzeln oder Insekten, hoch oben in
den Baumkronen beginnt es zu rauschen, wie wenn starker wind die
Zweige peitschte. Braune Meerkatzen sind es, die, vielleicht durch irgend
etwas erschreckt, eiligst von Bst zu Bst flüchten. Geschickt springen sie,
oft ganz dünne Zweige mit den Händen greifend, von den höchsten Baum¬
kronen auf niedere Bäume. Nashornvögel werden durch die Bffen ver¬
scheucht,- ihr klagendes ähhd! ähhd! ähhd! ausstoßend, streichen sie ab.
Die Schopfantilope äugt scheu nach oben. Ein pfiff — — und in
wenigen Fluchten ist sie im schützenden Unterholz verschwunden. Line
Bfsenmutter — das Junge hat sich am Bauche festgeklammert — ist
zurückgeblieben und blickt scheu seitwärts. Sie muß erkannt haben, daß
keine Gefahr mehr droht, denn ruhig hockt sie auf einem dicken Bst nieder
und beginnt Mutterpflichten zu erfüllen.
Bunte Schmetterlinge, in allen Farben schillernd, umflattern ein
kleines Stückchen Zuckerrohr, das von den Trägern ausgesogen und weg¬
geworfen wurde, um noch die letzten süßen Bestandteile mit ihrem spiral¬
förmigen Büssel daraus zu saugen.
Über das trockene Laub kriecht langsam eine Waldschnecke dahin,
einen langen, glänzenden Streifen hinterlassend. Bei ihrer Beobachtung
muß ich eingeschlafen sein, denn lautes Bufen meiner Träger weckte mich
aus dem Schlaf, und fort sind alle Bewohner des Urwaldes, die vorher
mein Buge erfreut hatten. Georgius. (Aus der „Usambara-Post".)