Full text: Deutsche Lyrik des 19. Jahrhunderts

— 185 — 
3. Ziu und Zeus: Sonnengott — Kriegsgott: Sahsnvt, Ares, Aphro¬ 
dite — Gott des Rechts: Schwert, Zepter — Germanen und Griechen, 
beide Jndogermanen. 
4. Der Ziuglaube in Verbindung mit dem Fortschritt der Kultur: 
Nomadentum auf weiten Ebenen .... der Sonnengott, 
Kriege mit Kelten und Römern .... Kriegsgott, 
Ansiedelung und Grundlegung des Staates . Gott des Rechts. 
Das ist ein Nacheinander und besteht daun als ein Nebeneinander. 
2. Wodan, a. Wind gott. Wodan ist der Wind- oder Sturm- 
gott, das zeigt sein Name und sein Wesen. Urgermanisch Wodanaz, 
altsächsisch Wodan, altnord. Odin, ahd. Wnotan, mundartlich Wode, 
Waud, Wutan, Wute,Muot, Muet (W—M, beide Lippenlaute!) 
ist wahrscheinlich verwandt mit nhd. Wut = ahd. wuot, d. i. das Rasen, 
Stürmen, das ungesesselte Draufgehen. Diesen Sinn fühlend, übersetzte 
ein Schriftsteller des 11. Jahrhunderts: Wodan id est furor. Wodan 
hat einen breitkrämpigen Hut, einen wallenden Mantel; das sind die 
verhüllenden, dunkeln, flatternden Wolken. Nach ihnen trägt er in Nord¬ 
deutschland den Namen Hackelbernd (ahd. hachul = Mantel, in 
Thüringen einhucheln = einhüllen; ahd. bern = tragen). Aus dunkeln 
Wolken zuckt plötzlich ein Blitzstrahl, oder eine Sturmwolke zeigt auf 
einige Augenblicke eine lichte Öffnung, und daraus gestaltet sich die Vor¬ 
stellung, daß Wodan nur ein Auge habe, aber eins mit feurigem, durch¬ 
dringendem Blick. 
An den Mythus von Wodan dem Windgott schlossen sich ältere 
mythische Gebilde an, aus dem Seelenglauben die Vorstellungen von dem 
Seelenheer (S. 155), das in Wind und Sturm daherbraust, aus dem 
Riesenglauben die Vorstellungen von den Wind- und Sturmriesen (S. 175). 
So ward Wodan zum wilden Jäger, der mit einer wilden Jagd¬ 
gesellschaft, gefolgt von bellenden Hunden, auf einem weißen Roß dahin¬ 
sprengt (Schimmelreiter). Und dies Motiv, einmal in den Mythus 
von Wodan eingefügt, ward von den Deutschen, die ja die Jagd als 
liebste Beschäftigung des freien Mannes priesen (S. 97ff.), zu vielen Er¬ 
zählungen ausgebildet, die wir heute noch als Sagen vom wilden Jäger 
gar gerne hören und lesen. Ja, wir dürfen die Ausrufe hio! ho! hio! 
ho! auf den ältesten Wodansglanben zurückführen; so rief der Jäger voll 
Jägerlust, weil Wodan so rief, weil der Sturm so klang: hi —o! 
Meyer, S. 382: „Dieser Mythus, das umfassendste und treuste 
Spiegelbild des germanischen Waldlebens der freien Ger¬ 
manen, war in feiner Gesamtheit ihr Hauptmythus, in landschaftlich wechseln¬ 
den Formen überall verbreitet und so zäh in der Volksseele haftend, daß noch 
heute gar mancher Bauer den Eid für seine Aussage wagt, die wilde Jagd 
mit eigenen Sinnen gehört und gesehen zu haben." 
Volkskunde: Wuttke, S. 20. „Manche Bestandteile der Wodan¬ 
mythe sind, außer auf Christus und Petrus, auf St. Martin und den Erz-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.