C. Prosaische Schriften.
I. Schillers historische Schriften überhaupt.
157. Schiller als Historiker.
Von W. von Humboldt.
Briefwechsel zwischen Schiller und W. v. Humboldt. Stuttgart und Tübingen
1830. Vorerinnerung S. 55.
Schillers historische Arbeiten werden vielleicht von einigen nur als
Zufälligkeiten in seinem Lehen und als durch äussere Umstände hervor¬
gerufen angesehen. Dazu, dass sie eine grössere Ausdehnung erhielten,
trugen diese Ursachen unleugbar bei, allein an sich musste Schiller durch
seine Geisteseigentümlichkeit ebensowohl zu historischem als philosophi¬
schem Studium hingezogen werden. Nur um dies mit wenigen Worten
anzudeuten, berühre ich diesen Punkt hier. Wer, wie Schiller, durch
seine innerste Natur aufgefordert war, die Beherrschung und freiwillige
Übereinstimmung des Sinnenstoffes durch und mit der Idee aufzusuchen,
konnte nicht da zurücktreten, wo sich gerade die reichste Mannigfaltig¬
keit eines ungeheuren Gebietes eröffnet; wessen beständiges Geschäft es
war, dichtend den von der Phantasie gebildeten Stoff in eine, Not¬
wendigkeit atmende, Form zu giessen, der musste begierig sein zu ver¬
suchen, welche Form, da das Darstellbare es doch nur durch irgend
eine Form ist, ein durch die Wirklichkeit gegebener Stoff erlaubt und
verlangt.
Das Talent des Geschichtschreibers ist dem poetischen und philo¬
sophischen nahe verwandt, und bei dem, welcher keinen Funken dieser
beiden in sich trüge, möchte es sehr bedenklich um den Beruf zum
Historiker aussehen. Dies gilt aber nicht blos von der Geschichtschrei¬
bung, sondern auch von der Geschichtsforschung. Schiller pflegte zu
behaupten, dass der Geschichtschreiber, wenn er alles Faktische durch
genaues und gründliches Studium der Quellen in sich aufgenommen