Full text: Deutsche Dichtung in der Neuzeit (Abt. 2)

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die sonn hett anch jr freüd damit, 
130. daß so dapffer das schiff fortschritt, 
und schin so hell in druder rinnen, 
das sie von fern wie spigel schinen. 
das gestad schertzt auch mit dem schiff; 
wann das Wasser dem land zuliefst 
dann gab es einen Widerthon, 
gleich wie die rüder thäten gon. 
ein flut die ander trib so gschwind, 
das sie eim undern gsicht verschwind; 
ja, der rein Wurf auch ans klein wällen, 
140. die dantzten umb das schif zu gsellen. 
inn summa, alles freudig war, 
die schiffart zu vollbringen gar; 
die Vertröstung, rhnm zu erjagen, 
erhitzigt ihr Hertz nicht zuzagen. 
Zweiter Abschnitt. 
Deutsche Dichtung vom Beginn des 17. Ins um die 
Witte des 18. Jahrhunderts. 1624—1718.. 
(Periode der Nachahmung: die nationale Poesie verwandelt sich in eine gelehrt- 
klassische. Nicht nur die poetische Form (Alexandriner), sondern auch der Inhalt 
lehnt sich, nicht an die klassische Poesie selbst, sondern an ihre gekünstelte Nachahmung 
durch ausländische Dichter. Unwahrheit und Unnatur kennzeichnen die dichterischen 
Erzeugnisse dieser Zeit; nur das Kirchenlied bewahrt noch Wahrheit und Einfachheit. 
Erst gegen Beginn des 18. Jahrh, gestalten sich die Verhältnisse freundlicher nach dem 
Erwachen einer litterarischen Kritik.) 
1. Die trostlosen politischen Verhältnisse zu Anfang des 17. Jahrhunderts 
und vollends der 3Ojährige Krieg mit der neben ihm herlaufenden Verwilderung 
der Sitten konnten nur den ungünstigsten Einfluß aus die Entwicklung der 
deutschen Litteratur ausüben. Die Teilnahme des Volkes an der Litteratur 
verschwand gänzlich; der größte Teil der Gelehrten hatte sich seit der Wieder¬ 
belebung des klassischen Altertums der lateinischen Sprache bedient, und seitdem 
Frankreichs Einfluß aus die Geistes- und Kultnrzustände Deutschlands mächtig 
wurde, fingen die Gebildeten an, französisch zu schreiben und zu sprechen. Man 
kam allmählich zu der Überzeugung, daß die deutsche Poesie hinter der der 
anderen Völker zurückgeblieben sei; um ihr aufzuhelfen, ahmte man die fremden 
Muster nach und gab so der Poesie den Charakter schulmäßiger Nachahmung 
und künstlicher Einübung des Fremden. Die Dichter setzten ihren Ruhm in 
die formale Behandlung der Sprache und des Verses, selten in die Wahrheit 
der Stimmung und die lebendige Durchdringung des Stoffes. Trotzdem treten 
einzelne Dichter hervor, die mehr Selbständigkeit in ihren Werken zeigen und 
größere Beachtung verdienen 
2. Gleich zu Beginn dieses Zeitraums begegnen wir einigen wohlgemeinten 
Versuchen, der Sprachverderbnis entgegenzuwirken. Zu diesem Zwecke wurden 
mehrere Sprachgesellschaften gestiftet nach dem Muster der italienischen 
Akademieen. Die wichtigsten sind: 1. Die fruchtbringende Gesellschaft 
oder der Palmenorden, gestiftet 1617 zu Weimar von mehreren Fürsten 
und Edelleuten. Den Hauptzweck der Gesellschaft bestimmten die Gründer dahin, 
daß die „hochgeehrte deutsche Muttersprache in ihrem gründlichen Wesen und 
rechten Verstand ohne Einmischung fremder ausländischer Flickwörter im Reden,
	        
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