13. Der Schweizerbund.
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Recht verhöhnten, welches Gott jeglichem Menschen wie sein unveräußerliches
Gut gegeben hat. Als nun in den Thälern Demut weinte und Hochmut
lachte, sprach in dem Dorfe Steinen des Werner Stauffacher Frau zu ihrem
Manne: „Wie lange muß Demut weinen und Hochmut lachen? Sollen
Fremdlinge Herren dieser Erde und Erben unseres Glückes sein? Wozu taugen
die Männer des Gebirges?“ Da ging schweigend der Werner Stauffacher
hinab zu dem Orte Brunnen am See und fuhr über das Wasser nach Uri
zu Walther Fürst in Attinghausen. Bei demselben fand er verborgen den
Arnold von Melchthal, welcher vor dem Grimme des Landenberg über
das Gebirge entwichen war. Und sie redeten von der Not des Landes und
dem Greuel der ausländischen Vögte, die ihnen der König gesandt habe, wo—
durch er ihren angestammten Rechten und Freiheiten zuwider handle. Auch
gedachten sie, wie sie gegen die Bosheit der Vögte vergeblich beim Könige
geklagt hätten, und wie dieser sogar gedroht, sie müßten, trotz Siegel und
Briefen alter Könige und Kaiser, vom Reiche ab und der Herrschaft Oster—
reichs zugewandt werden. Da nun Gott keinem Könige dazu Gewalt gegeben,
daß er Unrecht thue, so sei jetzt keine andere Hilfe als durch Gott und Mut;
der Tod sei viel leichter als so schmähliches Joch. Darum beschlossen sie,
jeder solle in seinem Lande mit vertrauten, herzhaften Männern sprechen und
zugleich erforschen, wes Sinnes das Volk sei, und was es für Freiheit und
Sicherheit einsetzen wolle.
Nach diesem kamen sie oft in verabredeter nächtlicher Stunde an einem
heimlichen Orte am See zusammen. Der lag fast mitten inne zwischen Uri,
Unterwalden und Schwyz, auf einer schmalen, umbuschten Wiese gegen—
über dem Dörfchen Brunnen. Man hieß ihn des ausgerütteten (gerodeten)
Gestrübbes wegen das Rütli. Dieser Platz wurde gewählt, weil er von
Menschen und Wohnungen weit entfernt, mithin kein unbefugter Lauscher zu
befürchten war. Bald brachte jeglicher frohe Botschaft mit: „Allem Volke sei
der Tod lieber als das schmähliche Joch.“
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Wie sie aber in der Nacht des 17. Novembers des Jahres 1307 zusammen
kamen, und jeder von den dreien 10 treue Ehrenmänner mit sich zur Matte
des Rütli brachte, die ebenfalls entschlossen waren, die alte Landesfreiheit über
alles, das bloße Leben aber für nichts zu achten, — erhoben die frommen
drei ihre Hände gen Himmel und schwuren zu Gott, dem Herrn, vor welchem
Könige und Bauern gleich sind, „in Treue für die Rechte des unschuldigen
Volkes zu leben und zu sterben, alles gemeinschaftlich, nichts eigenmächtig zu
wagen und zu tragen, kein Unrecht zu dulden, aber auch kein Unrecht zu
thun, des Grafen von Habsburg Recht und Eigentum zu ehren und keinem
der Königsvögte Übles zu thun, aber den Vögten zu wehren, das Land zu
verderben.“ Die 30 anderen aber streckten ihre Hände auch auf und thaten
den Eid wie jene zu Gott und allen Heiligen; sie schwuren alle, die Freiheit
mannhaft zu behaupten. Und sie erwählten die Neujahrsnacht zum Werke;
dann gingen sie aus einander, jeder in sein Thal, und winterten die Herden
in den Hütten ein.
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