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Papst sich nicht in allen Stücken Napoleon fügen wollte, ließ dieser ihn
nach Frankreich in die Gefangenschaft abführen und zog auch den Kirchen-
staat an sich. So wurde selbst Rom eine französische Stadt. Frankreich
reichte von den Pyrenäen und dem Tiber bis zur Nord- und Ostsee.
Nur eins fehlte Napoleon an seinem Glück: er hatte keinen Nach,
kommen; denn seine Ehe mit Josephine war kinderlos geblieben. Darum
ließ er sich von ihr scheiden und führte Marie Luise, die Tochter des
Kaisers Franz, als Gemahlin heim. Durch diese Verbindnng mit dem an¬
gesehensten Herrscherhause hoffte er den eigenen Thron noch zu befestigen.
Als ihm die Gattin im folgenden Jahre einen Sohn schenkte, verlieh er dem
Knäblem in der Wiege den Titel: „König von Rom."
VIII. Napoleons Zug nacfr Rußland. \8\2.
1. Die Ursachen. Seit 1807 waren Napoleon nnd Alexander von Ruß«
land Freunde; aber das gute Verhältnis zwischen beiden dauerte nicht lange.
Der Zar sah ein, daß die Kontinentalsperre seinem Reiche einen ge-
wältigen Schaden brachte, und erleichterte deshalb die Einfuhr englischer
Kolonialwaren. Da beschloß Napoleon, auch Rußland zu bezwingen. Hinter
diesem Plane aber stand noch ein andrer. Lag Rnßland am Boden, so
wollte der Kaiser Konstantinopel erobern und von hier aus durch Vorder-
asieu nach Indien ziehen. Dadurch gedachte er der englischen Macht end-
lich den Todesstoß zu versetzen.
2. Der Zug nach Moskau. Mit einem Heere von 600000 Mann
trat Napoleon im Frühjahre 1812 den Weg nach Rußland an. Das un¬
glückliche Preußen mußte den Durchzug gestatten, die ungeheuren Scharen
verpflegen und obendrein 20000 Mann Hilfstruppen stellen, die unter dem
Oberbefehl des Generals von Jork standen und nach Petersburg mar-
schieren sollten. Die Hauptarmee aber wandte sich gegen Moskau. Die
Russen wichen immer tiefer in ihr Land zurück und bräunten alle Dörfer
hinter sich nieder, um dem Feinde nur eine Wüste zu lassen. Erst in der
Nähe Moskaus erwarteten sie den Gegner zum Kampf. Bei Borod in ö
kam es zu einer mörderischen Schlacht. Die Russen unterlagen, nnd nun
stand den Siegern der Weg nach Moskau offen.
3. Der Brand von Moskau. Im September hielt Napoleon seinen
Einzug in die alte Hauptstadt. Hier wollte er mit seinen Truppen über-
wintern. Zu seinem Befremden fand er Moskau fast menschenleer. Schon
in der ersten Nacht züngelten in verschiedenen Vierteln der Stadt Flammen
empor. Vergebens suchte man den Brand zu löschen. Bald war ganz
Moskau ein loderndes Feuermeer, und binnen wenigen Tagen lag der
größte Teil der Stadt in Asche. Jetzt wollte Napoleon Frieden schließen; aber
Alexander zog ihn hin, bis der erste Schnee fiel, und ließ ihm dann sagen,
eben gehe der Krieg erst recht an.
4. Der klägliche Rückzug. Die große Armee war jetzt in einem fremden
Lande ohne Obdach und ohne Lebensmittel. Napoleon mußte sich also zum