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nöthig, den Schülerinnen zn zeigen, wie sich mit der Zeit
die Poesie und Prosa in Deutschland ausgebildet habe.
Ich habe also bei diesem meinem Buche zwei Zwecke
zu erreichen gesucht: 1) die verschiedenen Arten des poe¬
tischen und prosaischen Ausdrucks auseinanderzusetzen, und
durch passende Musterstellen zu erläutern; 2) die Schü¬
lerinnen mit dem Gange unserer Literatur und mit den
berühmtesten Schriftstellern, deren Kenntniß ihnen nöthig
ist, bekannt zu machen. Ueber die Nützlichkeit des Unter¬
nehmens werden, hoffe ich, die Stimmen nicht getheilt
sein; es fragt sich nur, ob der von mir eingeschlagene
Weg der richtige sei? ob ich nicht vielleicht zu wenig oder
zu viel gegeben habe? Und da ich weiß, wie wenig zwei
Augen sehen können, wie leicht man sich in seinen Ansichten
irrt, und wie befangen unser Urtheil über unsre eigenen
Arbeiten ist, so lasse ich allerdings mit Bangigkeit mein
Buch in's Leben treten. Nur einigermaßen kann mich
dabei der Umstand beruhigen, daß ich eine vieljährige Er¬
fahrung für mich habe, durch die man zuletzt einen rich¬
tigeren Takt in der Auswahl dessen erhält, was sich für
den Unterricht eignet.
Das nachstehende Buch zerfällt in zwei Hauptab-
tHeilungen. Die erste handelt von den verschiedenen
Gattungen und Arten der Poesie und Prosa, soweit nach
meiner Ansicht deren Kenntniß für das weibliche Geschlecht
nöthig ist. Zur Erläuterung sind bei jeder einige Muster¬
stellen aus deutschen Klassikern hinzugefügt. Die zweite,
die des größeren Umfanges wegen in zwei Bände ver¬
theilt werden mußte, enthält eine Geschichte unsrer Lite¬
ratur, immer in Bezug auf das Bedürfniß des weiblichen
Geschlechts. Die früheren Perioden sind möglichst kurz
behandelt, umständlicher die neue Literatur. Fast von