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Wirth, verwundert, daß der Fremde so viel von seiner Kindheit wußte; und
dabei blies er sich auf; denn er meinte, er müßte doch von Klein aus eine
wichtige Person gewesen sein. — „Der ärgste Schelm aber," fuhr der Alte
fort, „war Er doch in der Schule. Alle Bubenstücke brachte Er auf und
setzte sie in Gang, und wenn Eines herauskam, wußte Er es immer so ein¬
zurichten, daß der Andre Schläge, Er aber Lob bekam. Weiß Er noch, wie
Er einmal bei'm Schul-Examcn das ganze Athanasianische Glaubensbekennt¬
niß — oder, wie es heißt — vorwärts und rückwärts aufsagte, und der
Pfarrer Ihn allen Andern zum Muster ausstellte, und Seiner Mutter vor
Freude die hellen Thränen über die Backen liefen — und Er sich umdrehte,
eine Fratze schnitt und die Zunge herausstreckte?" — Der Wirth erschrak
und dachte: „Wer muß der nur sein, der Alles und Alles weiß?" Dann
aber faßte er sich wieder und dachte: „Nun ja, er muß freilich mehr können
als andere Leute; sonst brächte er nicht so grobe Dinge zur Kraft." —■ Und
da der Alte zu jeder Büberei, die er erzählte, lachte, und die Gäste ebenfalls
einstimmten, so lachte der Wirth auch mit, und rechnete auf die Vergeltung
am folgenden Morgen.
So trieb es nun der Graurock eine ganze Zeit, und hielt dem Schwanen-
wirth unter Lachen und Kurzweil seine Sünden in guter Ordnung vor.
Von den Kinderstreichen kam er auf die Jugendstreiche, und dann immer
weiter — und die Sache wurde immer bedenklicher und ernsthafter, so daß
der Wirth mit aller Gewalt, die er sich anthat, doch kein Lachen mehr aus¬
bringen konnte. Da kamen Geschichten vor von ausgegrabenen Grenzsteinen,
von falschen Schuldbriefen, von abgeschwornen Unterschriften, von falschen
Zeugnissen, und dergleichen. Und da der Alte jedes Schelmstück ganz klar
und deutlich zu erzählen wußte, und die, welche der Wirth um das Ihrige
betrogen hatte, oder die Kinder und Verwandten des Betrogenen gegen¬
wärtig waren, so entstand ein entsetzlicher Rumor in der Stube, und die
Ehrentitel von Dieb, Spitzbube und dergleichen wurden nicht gespart, und
die Drohungen auch nicht. Der Wirth wollte nun Manches in Spaß um¬
kehren, leugnete auch wohl dies und das. Aber es hals ihm nichts. Der
Graurock wußte Alles besser und überführte ihn auf der Stelle. Da wurde
der Wirth immer blässer und armseliger, und schwieg am Ende ganz still.
Wie nun der Lärm am ärgsten war, und der Wirth wie zerschlagen da saß,
und Mitternacht herankam, stemmte sich der Alte mit den Händen auf den
Tisch, um auszustehen, und sagte: „Ich muß diese Nacht noch weiter. Was
bin ich schuldig?" — Der Wirth wollte nicht fordern, denn er hoffte noch
immer, der Alte hätte ihn nur so gequält, um ihn desto besser zu bedenken.
— „Ei was," sagte der Fremde, „umsonst will ich bei einem solchen Schelme
nicht gezehrt haben," und warf ein Goldstück auf den Tisch, so groß wie
das Innere der Hand. Dann stand er aus, und humpelte zur Thür hinaus,
ohne gute Nacht zu sagen; als er aber aus der Schwelle stand, kehrte er
sich um und sagte: „Aus Wiedersehn, Herr Wirth zum weißen Schwan!"
— Die Gäste gingen nun auch alle fort, und es war allen unheimlich zu