Full text: Lehrbuch zur Kenntniß der verschiedenen Gattungen der Poesie und Prosa für das weibliche Geschlecht, besonders für höhere Töchterschulen

Bon der Prosa. 
Schon oben haben wir den Unterschied der Prosa von der 
Poesie und das Eigenthümliche der Prosa angegeben. Sie drückt 
das aus, was aus unserm Verstände hervorgeht, ohne daß das 
Gefühlsverm'ögen einen lebhaften Antheil daran nimmt. Was 
der Verstand gedacht, die Vernunft erwogen hat, wird möglichst 
deutlich, aber in einer ansprechenden Form vorgetragen, damit 
der Verstand Andrer die Wahrheit des Gesagten einsehe. Die 
Prosa will also nicht zunächst auf die Einbildungskraft Andrer 
wirken, — darum verschmäht sie die Bildersprache, — sondern 
auf den Verstand, — darum bedient sie sich der eigentlichen Aus¬ 
drücke. Wenn der Dichter in einer idealen Welt sich bewegt, so 
nimmt der Prosaist die Welt, wie sie wirklich ist. Darum ist 
die Prosa die Sprache der Wissenschaft, wie die Poesie die Sprache 
der Kunst ist. Die Poesie ist die Mutter der erst spät gebornen 
Prosa, so wie z. B. die Geschichtschreibung bei den Griechen 
(Herodot) aus der Heldendichtung (Homer) hervorging und noch 
deutlich ihren Ursprung verräth. Jedenfalls waren die ersten 
Worte, zu denen die Lippen des ersten Menschen sich öffneten, 
ein Gebet an die Gottheit. Darum darf auch die Prosa, so 
weit es der ihr eigenthümliche Zweck gestattet, ihren Ursprung 
nicht verhehlen; das Wahre muß sich in das Gewand des Schö¬ 
nen hüllen, um zu gefallen. 
Der Schätze, die des Denkers Fleiß gehäufet, 
Wird er in euren Armen erst sich freun, 
Wenn seine Wissenschaft, der Schönheit zugereifet, 
Zum Kunstwerk wird geadelt sein. (Schiller's „Künstler.") 
Alles, was zum wirklichen Leben gehört, betrifft entweder 
Erkenntnisse, ä- oder Ereignisse, —oder schriftliche 
Mittheilungen an abwesende Personen, — oder schriftliche 
Bezeichnung der Verhältnisse des öffentlichen Lebens. 
Daher theilt man alle Prosa ein: 
1. in den Lehrsthl, 
2. in den geschichtlichen Styl, 
3. in den Briefstyl, 
4. in den Geschästsstyl. 
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