Full text: Lehrbuch zur Kenntniß der verschiedenen Gattungen der Poesie und Prosa für das weibliche Geschlecht, besonders für höhere Töchterschulen

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artig und manierlich seien? Und wenn eine darunter ist, die es aus Beschei¬ 
denheit leugnet, daß sie es so wäre, wie Viele von Ihren Jahren, diese ist 
gewiß meine versteckte Charitas! Wird Ihnen nun bald Angst? — Wie? ich 
glaube, Sie lachen gar noch darüber? Nun warten Sie nur! Gewiß, ge¬ 
wiß ertappe ich Sie, und wie soll ich Sie hernach bestrafen? 
Rabener. 
4. Belehrende Briefe. 
Es giebt unter den Werken, welche dazu bestimmt sind zu be¬ 
lehren, einige, die in Briefform abgefaßt sind, um den Vortrag 
faßlicher und eindringlicher zu machen. Allein wenn solche Briefe 
nicht an bestimmte Personen geschrieben sind, und mit einem wirk¬ 
lichen Briefe nichts weiter gemein haben als die Ueberschrift und 
den Schluß, so gehören sie in den Lehrstyl. Nur dann ist der 
belehrende Brief ein wirklicher Brief, wenn die Person, an welche 
er gerichtet ist — sie sei nun eine wirkliche oder nur erdichtete 
— nach ihrer ganzen Eigenthümlichkeit aufgefaßt, und man da¬ 
her sehen kann, daß der Brief zunächst für sie bestimmt ist. Die 
Darstellung muß also den Charakter des Briefstyls an sich haben. 
Denkt man sich nur eine Person, welcher man gewisse Wahrhei¬ 
ten auseinandersetzt, damit sie unter diesem Gewände bei An¬ 
dern desto besser Eingang finden, so wird der Brief nie so gut 
gerathen, als wenn man an eine wirkliche Person schreibt, die 
uns mit ihren ganzen Verhältnissen, nach ihrer ganzen Eigen¬ 
thümlichkeit, als Knabe, Mädchen, Jüngling, Jungfrau, Mann, 
Frau u. s. w. vor Augen steht. Die Eigenthümlichkeit dieser 
Person muß auch entscheiden, was, wie viel und wie man an 
sie schreibe. 
Es giebt mehrere Werke, die Belehrung in Briefform auch 
über solche Gegenstände enthalten, die dem weiblichen Geschlechte 
wichtig sein müssen. Einige derselben sind geradezu für dies Ge¬ 
schlecht bestimmt, z. B. Brandes (Prof, der Mathematik in 
Leipzig, gest. 1834) Briefe über Sternkunde. Auch sind Dusch's 
(gest. 1787 als Juftizrath in Altona) Briefe zur Bildung des 
Geschmacks, und desselben moralische Briefe zur Bildung des 
Herzens zu empfehlen. 
Hier ein Beispiel aus Dinier's (Eonsistorialraths in Kö¬ 
nigsberg, gest. 1831) Malwina. Diese hatte einen Professor um 
Literaturgesch. v. Nösselt. I. 8. Aufl. ZZ
	        
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