Full text: Sieben Bücher deutscher Dichtungen

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Alte Seit. 
Da sprach der edle Ritter: „So seht meine Hand, 
Ob ihr dies Gold erkennet: Herwig bin ich genannt. 
Mit diesem Mahlschatz sollt' ich Gudrunen Minnen; 
Seid ihr die mir Verlobte, wohlan, ich führ'euch minniglich non hinnen." 
Sie lächelt' in der Freude, da sprach das Mägdelein: 
„Das Gold erkenn' ich wieder, vor Zeiten war es mein. 
Run sollt ihr dieses sehen, das mein Geliebter sandte, 
Da ich armes Mädchen mit Freuden war in meines Vaters Lande." 
Er umschloß mit den Armen die herrliche Maid; 
Was sie gesprochen hatten, gab ihnen Lieb und Leid. 
Auch bedeckt' er ihr mit Küssen, die niemand zählte, 
Ihr ilnd Hildeburgen, der vertrieb'nen Magd, der auserwähltem" 
Da sprach der König Herwig: „Wohl mögen wir gestehn, 
Uns ist auf dieser Reise so großes Gluck gescheh'u, 
Besser konnt' es wahrlich nimmer uns gelingen: 
Nun laßt uns nur eilen, daß wir sie weg von diesem Strande bringen." 
Da sprach der Degen Ortwein: „Nicht doch, das thu ich nie; 
Und hätt' ich hundert Schwestern, sterben ließ ich sie, 
Eh ich mich in der Fremde so feige wollte hehlen, 
Die mit Gewalt sie nahmen, meinen grimmen Feinden wegzustehlen." 
Da sprach der Held von Seeland: „Mir schafft die Sorge Pein, 
Wird man unser innen, daß man die Mägdelein 
So weit von hinnen führe (drum möcht uns Hehlen frommen) 
Daß sie uns ihr Leben nimmer wieder vor die Augen kommen." 
Da sprach aber Ortwein: „Jin Stiche ließen wir 
Das edle Ingesinde? Es hat so lange hier 
Geharrt im fremden Lande, es mag sie wohl verdrießen, 
Meiner Schwester Gudrun sollen ihre Mädchen all' genießen." 
Da sprach König Herwig: „Was hast dn wohl im Sinn? 
Meine Herzgeliebte, die führ' ich mit mir hin; 
Thun wir was wir können hernach für jene Frauen." 
Da sprach der Degen Ortwein: „Eh ließ ich mich mit Schwertern zerhauen." 
Sie gingen zu den Schiffen, da klagte laut die Maid, 
Sie sprach: „O weh mir Armen! endlos ist nun mein Leid: 
Auf die ich mich getröstet, da mich die verschmähen, 
Daß sie mich würden lösen, wann soll ich denn die Heimat wiedersehen?' 
Die kühnen Degen eilten zum Gestade jach; 
Gudrun die arme ries Herwigen nach: 
„Einst war ich die beste, nun gelt ich die böste; 
Wem willst du mich lassen, und wes soll ich mich arme Waise trösten?" 
„Du bist nicht die böste, du sollst die beste sein; 
Edle Königin, hehle für jetzt die Reise niein: 
Eh' morgen scheint die Sonne, lieg' ich hier zu Feld, 
Das glaub' auf meine Treue, vor der Burg mit achtzigtausend Helden." 
Der Wäsche nun vergaßen die herrlichen Frau'n. 
Wohl konnt' es aus der Ferne die böse Gerlind schaun, 
Daß sie müßig waren da unten auf dem Strande. 
Da zürnte sie gewaltig; ihr lagen sehr am Herzen die Gewände.
	        
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