Wilder aus der Watur.
129. Der König der Wüste.
2llfred Brehni.
Tierleben. Leipzig und Wien 1890. I. Bd. S. 449.
mit Sonnenuntergang hat der Nomade seine Herde in der sichern
Seriba eingehürdet, in jenem bis 3 m hohen und etwa 1 m
dicken, äußerst dichten, ans den stachlichsten Ästen der Mimosen
geflochtenen Zaune, dem sichersten Schutzwall, den er bilden kann. Die
Schafe blöken nach ihren Jungen, die Rinder, die bereits gemolken wurden,
haben sich niedergetan. Eine Mente wachsamer Hunde hält die Wacht.
Es wird stiller und ruhiger, der Lärm verstummt, der Friede der
Nacht senkt sich ans das Lager herab. Weib und Kind des Herden¬
besitzers haben in dem einen Zelte die Ruhe gesucht und gefunden.
Die Männer haben ihre letzten Geschäfte abgetan und wenden sich
ebenfalls ihrem Lager zu. Von den nächsten Bäumen herab spinnen
die stufenschwänzigen Ziegenmelker ihren Nachtgesang oder tragen fliegend
ihre Federschleppe durch die Lüfte, nähern sich ost und gern der Seriba
und huschen wie Geister über die schlafende Herde hinweg. Sonst ist
alles still und ruhig. Selbst die klaffenden Hunde sind verstummt,
nicht aber auch lässig und schlapp geworden in ihrem treuen Dienste-
Urplötzlich scheint die Erde zu dröhnen; in nächster Nähe brüllt
ein Löwe! Jetzt bewährt er seinen Namen „Essed", d. h. der „Auf¬
ruhrerregende"; denn ein wirklicher Aufruhr und die größte Bestürzung
zeigt sich in der Seriba. Die Schafe rennen wie unsinnig gegen die Dornen¬
hecken an, die Ziegen schreien laut, die Rinder rotten sich mit Angstgestöhn
zu wirren Hansen zusammen, das Kamel sucht, weil es gern entfliehen
möchte, alle Fesseln zu sprengen, und die mutigen Hunde, die Leoparden
und Hyänen bekämpften, heulen laut und klüglich und flüchten sich