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man durch die Wälder und Wiesentäler dieses Gebirges mit seinem uralten
Erzbergbau und seinen weiten Fernsichten in die deutschen Lande hinein.
Im Bodetale bei Thale und in Treseburg an der Roßtrappe und beim Hexen—
tanzplatz finden wir zugleich die großartigsten und wildesten Talbilder des
gesamten deutschen Mittelgebirges und genießen von der Höhe des stolzen
Brocken aus eine Fernsicht, wie auf wenig anderen Gipfeln weit und breit.
Dazu bildet der Harz noch eine beachtenswerte Grenzscheide, nicht nur für
die Gewässer, die von seinen Höhen herabkommen, sondern auch für die
Volksstämme, die an seinem Fuße wohnen und zwar für die Niedersachsen
und Thüringer in erster Reihe.
In der ganzen Breite des Gebirges, vom Harz, dem Thüringer—
und Frankenwald bis zum Fichtelgebirge zieht sich westwärts bis zum
Rhein ein einziges zusammenhängendes Bergland hin, aber nicht eintönig,
sondern wechselvoll in seinem geologischen Aufbau, wie in seiner sonstigen
Geartung, seiner äußeren Form und seiner Besiedelung. Da reckt sich
im Norden der Teutoburger Wald, zwischen Weser und Ems weit in die
Norddeutsche Tiefebene hinein. Südlich von ihm, jenseits der Lippe,
steigt der Haarstrang an und erhebt sich das Sauerland zu beträchtlichen
Höhen, welche das Plateau von Winterberg überragt. Mehr südwärts
aber, schon nach den Mainlandschaften ausschauend, türmen sich die
vulkanischen Gesteinsmassen des Vogelsberges auf und thront die hohe Rhön
mit ihren moorigen, kalten Kuppen und stillen Tälern, von denen das
wasserreichste die Quelle der Fulda birgt. Unvermittelt schließt sich an
die hessischen Gebirge dann westwärts das Rheinische Schiefergebirge an,
das wiederum eine große zusammenhängende Masse für sich innerhalb des
deutschen Mittelgebirges bildet.
Nun stehen wir zum Schlusse noch einmal im Gebiete des Fichtel—
gebirges und schauen südwärts. Zur linken wächst der Böhmerwald mit
seinen dunklen Waldkuppen an, das ernsteste und einsamste unter allen
Gebirgen Deutschlands. Hier gibt es noch wenig berührte, einsame Forste.
Nur aän zwei Stellen überschreiten große Bahnlinien das Gebirge, und
auch der bedeutenden Heerstraßen gibt es hier weniger, als irgendwo sonst
in uͤnseren Gebirgsländern. Dazu kommt, daß keine volkreichen Städte in
unmittelbarer Nähe des Böhmerwaldes liegen und der große Strom der
Ausflügler sich hierhin noch wenig richtet. So waltet denn hier noch die
alte unentweihte Waldpoesie, wie sie uns aus den Schriften Stifters und
aus den Gedichten Eichendorffs so traut entgegenklingt. Die höchsten
Gipfel des Böhmerwaldes, wie der Arber, der Rachel und der Kubany
sind achtungsgebietende Hochwarten, fast denen im Riesengebirge ebenbürtig
und gleichfalls über der Baumregion gelegen. Als besondere Überraschung
bietet die Fernsicht von ihren Gipfeln an klaren Tagen die Ausschau auf
die fernen blinkenden Schneegipfel der Alpen. Mehr südwärts nach der
Donau hin lagert sich der Bayerwald vor den Böhmerwald, über dessen
Kamm die bayrisch-böhmische Grenze hinzieht. Nur das Tal des Regen
und der Ilz, die bei Passau in die Donau mündet, scheidet die beiden
Gebirge. An ihren Rändern entlang nimmt die Donau von Regensburg
herab bis Linz ihren Lauf. Wundervolle Landschaftsbilder entfalten sich
dem zu Schiffe zu Tal Ziehenden auf dieser Strecke; denn auch von rechts