Full text: (Sechstes und siebentes Schuljahr) (Teil 3 für Kl. 4 u. 3)

eine Art Meerwunder, weil er sich glücklich durch alle Klassen schlug, 
ohne eigentlich zu arbeiten. Noch mehr bewunderten wir seine Fertigkeit 
in allerlei brotlosen Künsten. Er verstand sich auf Feuerwerk, blies 
auf dem Kamm und lernte früh das Rauchen. Ja, man erzählte von 
ihm, daß er Verse machen könnte. Als wir die Schule verließen, hatten 
wir ab und zu von ihm gehört, daß er in dieser und jener Stellung 
sich versucht, in keiner aber lange ausgehalten habe. 
Dieser trat unter uns, und als die Begrüßung vorbei war, fragten 
wir ihn, was er in der Hauptstadt wolle. 
„Ich gedenke" — erwiderte er — „hier mein Glück zu machen. 
Es ist nichts in der Provinz. Man sitzt dort wie eine Lilienzwiebel 
im schlechten Boden; man treibt Blätter genug, aber zur Blüte kann 
man's nicht bringen." 
„Was willst du hier zunächst anfangen?" fragte ihn einer. 
Er entgegnete: „Noch weiß ich's nicht. Ich will mich zunächst 
ein wenig umsehen. Man liest Blätter, in denen Leute gesucht werden; 
man kommt unter Menschen, und sie merken, was man für ein Mann 
ist; — kurz, ich bin überzeugt, es wird sich bald etwas für mich 
finden." 
Ich sagte: „Stelle dir das nicht so leicht vor! Wer es hier zu 
etwas bringen will, der muß sich sehr rühren, und wer nicht in 
Bewegung bleibt, der wird umgestoßen und kommt den andren unter 
die Füße." 
„Arbeit," rief er lebhaft, „Arbeit ist natürlich die Hauptsache! 
Aber es ist ein Unterschied zwischen Arbeit und Arbeit. Wer einen 
anschlägigen Kopf hat, der arbeitet wie mit Maschinen und bringt 
schnell und ohne große Anstrengung zuwege, womit ein beschränkter 
Mensch sich sein ganzes Leben hindurch abquält. Übrigens bringe ich 
einen ganzen Sack voll Gedanken und Pläne mit. Wartet vierzehn Tage, 
dann werde ich zu euch sagen: Seht! das bin ich, das hab' ich, und 
das werde ich nock bekommen." 
Ihm wurde noch einiges entgegnet, und dann sprachen wir von 
andern Dingen. Ein paarmal kam er noch abends an unsern Tisch, darauf 
blieb er fort. Nach einiger Zeit aber fand ich ihn in einem Buttergeschäft, 
wo ich mir zum Abendessen etwas kaufen wollte. Dort stand er hinter 
dem Ladentisch als Verkäufer. Er war zuerst etwas verlegen über 
unser Wiedersehen, erholte sich aber bald und sagte: „Wundere dich 
nicht darüber, mich auf einem so bescheidenen Posten zu sehen. Es ist
	        
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