Full text: Frankfurter Lesebuch für Fortbildungsschulen

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Jourdan im Jahr 1796 auch den letzten Schmuck, ein herrliches, von 
Piazella gemaltes Altarbild, die Himmelfahrt Mariä darstellend, geraubt 
und nach Frankreich geschickt hatte, wo es jetzt noch in der ftädtischen 
Bildergalerie zu Lille aufbewahrt wird. Die schlimme Zeit für die Kirche 
war damit noch nicht zu Ende. 1813 wurde sie entweiht und zuerst als 
Aufenthalt für Gefangene, dann als Lazarett für verwundete Franzosen 
und schließlich als Lagerraum für Kriegsvorräte benutzt. Erst seit 1818 
dient sie wieder ihrer früheren Bestimmung, nachdem die katholische 
Gemeinde sie dazu neu hatte herrichten lassen. 
Im Jahr 1880 faßte der damalige Administrator J. Diefenbach 
den Plan zu einer gründlichen Wiederherstellung der Kirche. Die 
Ausführung wurde dem bewährten Architekten Max Meckel über— 
tragen, unter dessen Leitung das Innere der Kirche seinem früheren 
Ideal wieder nahe gebracht wurde. Drei neue gotische Flügelaltäre 
ersetzten die Zopfaltäre, die Säulen erhielten ihre Kapitäle, die Fenster 
ihr Maßwerk wieder. Die Rautenverglasung mußte gemalten Fenstern 
weichen. Der lohnendste Gewinn der Erneuerung aber bestand in den 
unter der Tünche wieder entdeckten alten Malereien, welche im Chor 
die beiden unter den Fenstern sich hinziehenden Gesimse schmücken, 
„das Leben der heiligen Elisabeth von Thüringen“ anf der Südseite, 
„die Legende vom hl. Georg und dem hl. Vitus“ auf der Nordseite. 
Sie stammen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, während 
die 1896 in der Sakristei ebenfalls unter der Tünche wieder aufgefundenen 
Gemälde ihre Entstehung dem Ende des 15. Jahrhunderts verdanken. 
So hat sich das altehrwürdige Gotteshaus, das bald sein 600jähriges 
Jubiläum feiern wird, wieder verjüngt. Sein Inneres zeigt etwas 
entschieden Besseres und Andersartiges, als sein Äußeres verspricht. 
„Omnis gloria eius ab intus“, wie das Schriftwort sagt: „Seine 
ganze Herrlichkeit ist im Innern“. Johann Diefenbach. 
88. Das Goethehaus. 
Es ist eine schöne Sitte, die Geburtshäuser großer Männer zu 
erhalten und zu pflegen. So sehen wir heute noch in Stratford 
Sshakespeares Haus, in Marbach das Schillerhaus. In Frankfurt 
steht am Großen hirschgraben das alte Haus, in dem, wie die Mar— 
mortafel über der Tür uns sagt, Johann Wolfgang Goethe am 
28. August 1749 geboren wurde. Es ist ein stattliches Bürgerhaus mit 
drei Sfockwerken und zahlreichen Fenstern. 
Nach der Art früherer Zeiten ist nur das Erdgeschoß massiv ge— 
baut, waͤhrend die Obergeschosse in Fachwerkbau ausgeführt sind 
So wie wir das Haus jetzi vor uns haben, ist es von Goethes Vater 
durch Umbau zweier älteren Wohngebäude i. J. 1755 hergestelli worden. 
Vierzig Jahre war es dann in seinem und seiner Gattin Besitz. Von 
1795 an in Privathänden, wurde es 1861 vom „Freien Deutschen 
hochstift· angekauft, damit es zum Andenken an unsern großen Dichter
	        
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