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Das Petroleum.
Unter allen Entdeckungen der Neuzeit ist wohl keine so rasch
und allgemein bekannt geworden als die des Petroleums. Kaum
waren einige Jahre vergangen, nachdem die erste Kunde von dem
neuen Beleuchtungsstoff aus Amerika zu uns gedrungen war, so
hatte schon die helle, rln fast allgemein
das trübe Ollicht verdrängt. Jeder fühlt die Wohlthat dieser
Entdeckung, und selbst in der ärmlichen Hütte freut man sich des
helleren und doch billigeren Lichtes.
Das Petroleum, auch Erdöl genannt, unterscheidet sich
von dem gewöhnlichen Ol schon durch einen eigentümlichen Ge—
ruch und Geschmack. Das beste in der Natur vorkommende
Petroleum ist wasserhell und heißt Naphtha; das gewöhnliche
ist gelb und wird auch Steinöl genannt. Es gibt aber auch ein
bräunliches Erdöl, das zähflüssig ist und Bergteer heißt. Das
Petroleum findet sich bisweilen in unterirdischen Hohlräumen
und Gesteinsklüften, gewöhnlich aber durchtränkt es zellige und
erdige Gesteine, z. B. Kalk- und Sandsteine. Es ist sehr ver⸗
breilet. In ungeheurer Menge kommt es besonders in Nordamerika
vor, wo es in künstlichen Brunnen nicht selten ganz von selbst in
die Höhe sprudelt, bisweilen aber auch aus der Tiefe hervorge—
pumpt wird. In der Beschaffenheit, in der es aus der Erde kommt,
ist es leicht zu entzünden. daher sehr feuergefährlich. Deshalb
muß es erst gereinigt werden. Seine Feuergefährlichkeit ist da⸗
durch zwar geringer geworden, indes muß man sich hüten, eine
Flamme mit ihm in Berührung zu bringen. Die Petroleum—
rückstände, die sich bei der Reinigung ergeben, verwendet man zur
Darstellung von Leuchtgas. — Das amerikanische Petroleum
kommt jetzt in besonders dazu eingerichteten Frachtschiffen, deren
innere Raͤume luftdicht und feuerfest sein müssen, in die euro⸗
paischen Häfen. Hier wird es in große, eiserne Behälter, die auf
Eisenbahnwagen stehen, gepumpt und so nach allen Richtungen
versendel. Erst an seinem Bestimmungsort füllt man es in Fässer.
Das Petroleum entsteht durch n Zersetzung der Tier⸗
und Pflanzenstoffe. Einen Beweis für diese Annahme liefert eine
Erscheinung in den Kohlenbergwerken der englischen en
Shrop, wo das Petroleum aus der Steinkohlenmasse herausschwitzt,
so daß die Arbeiter genötigt sind, sich durch vorgesteckte Bretter
gegen diese Petroleumtaufe zu schützen. An andern Orten, wo es
in großartigen, unterirdischen Behältern vorkommt, wie z. B. im
nördlichen Pennsylvanien, bricht es nicht aus Steinkohlenlagern
hervor, ist aber höchst wahrscheinlich auch durch Zersetzung von
Tier- und Pflanzenstoffen entstanden. F. Henrich.